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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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du? Hätte zu gern
    deine ganze Bauernsippe k-k-kennengelernt.«
    Er kam bestimmt aus einer richtigen Metropole wie
    Coffeyville* oder Enid*, und ich war der Bauerntölpel.
    »B-B-Boles«, sagte ich. »D-D-Danny Boles.«
    »Von wo?«
    »Tenkiller, Oklahoma.« Kein Stottern. Her mit der Medaille.
    Jetzt werd’ ich Rundfunksprecher.
    »Okay, Boles, du dämlicher Okie, beweg deinen
    kümmerlichen Arsch, bevor ich dir Feuer mache.« Der Kerl
    stieß mir den Ellbogen in die Seite. Seine Nase schwebte vor
    mir wie ein Liftknopf, doch mein Daumen traute sich nicht.
    »He, du sitzt ja immer noch auf Pumphreys Platz.«
    »A-aber wo soll ich d-d-denn hin?«
    Er lachte. Das war zu eckig für seinen Kopf: ein Kind, so
    unschuldig wie eine Flasche Wasser. Er setzte den Daumen in
    die Delle hinter meinem Kinn, um mir die Richtung zu zeigen.
    Ich fuhr hoch und stolperte in den Zwischengang – in dem sich
    das Fußvolk drängte, Landratten, die sich an die Reling
    klammerten.
    Ich ging in Fahrtrichtung. GIs, Rekruten und bewaffnete
    Militärpolizisten hockten eingeklemmt in den Sitzen, nicht ein einziger weiblicher Lichtblick. Jeder Wagen roch nach
    eingetrocknetem Schweiß, versengtem Khaki, Zigarettenqualm
    und bröckelnder Stiefelpolitur.
    Zwischen zwei Wagen machte ich schließlich Halt.
    Eigentlich hätte ich in einem Ziehharmonikabalgen stehen
    müssen, der vor Wind und Kohlenstaub schützte, doch das
    Zugpersonal hatte ihn nicht aufgespannt. Ich stand über der
    Kupplung. Der Wind tat gut. Auch das Alleinsein. Sanfte
    Hügel, Hartriegel und Judasbäume, die noch Farbe zeigten
    mitten unter den Tannen. Je weiter wir von Cherokee-County

    fortdampften, desto hübscher wurde die Landschaft. Das
    Indianerterritorium war ziemlich flach und bot wenig Schatten.
    Hatte der Kongreß das so gewollt? Wahrscheinlich.
    Ein paar Minuten stand ich so da, als aus dem Wagen weiter
    vorne ein Milchgesicht von GI polterte. Er runzelte die Stirn
    und klopfte seine Taschen ab. »Hast du mal ‘n Stengel,
    Kleiner?« schrie er.
    »N-nein, t-t-tut mir leid.«
    »Fick dich ins Knie!« schrie er. Ob er meinte, ich hätte ‘ne
    Rotkreuzschwester um ihre Zigaretten erleichtert und wollte
    ordentlichen GIs wie ihm nichts abgeben? Ich starrte ihn bloß
    an. Womöglich hatte ihm ein 4-F-Zivilist das Mädchen
    ∗
    ausgespannt, oder ein Rekrut hatte ihm die Koje gestutzt.
    Solche Gemeinheiten brannten wie Äthylalkohol in der
    Schnittwunde. Mein Blick wurde noch starrer. Ich hob die
    Fäuste an die Rippen. Der Junge sah, wie sie bebten. Er
    spuckte auf die Gleise, grade so, als ob nichts wär, und kehrte in den Wagen zurück, aus dem er gekommen war. Das hätte
    mich aufbauen können. Ich hatte Härte gezeigt, und ein GI
    hatte klein beigegeben. Das Problem war nur, er hatte
    ausgesehen wie ein Kid von Campbell’s Soup.
    Ich fing an zu weinen. Die Plattform, der Wind und der
    Radau waren meine Rettung. Ich konnte doch nicht mit Tränen
    im Gesicht nach drinnen gehen. Bis Georgia hätten die GIs mich gehänselt.
    Unser Zug war kein Schnellzug. Er kroch durch jedes
    gottverlassene Nest, das ihm in die Quere kam, und kam in
    jedem Kaff, das mindestens zwei Buchstaben im Namen hatte,
    mit immer der gleichen rasselnden Kettenreaktion zum Stehen.
    Fahrgäste hangelten sich nach vorn oder hinten zwischen den

    ∗ Koje stutzen (to short-sheet a bed) = ein Bettuch so falten und einstecken, daß es Ober- und Unterbettuch simuliert; will man sich hineinlegen, stößt man mit den Füßen in die Falte…

    Wagen, doch ich hing am Geländer über der Kupplung und
    ignorierte sie.
    Es dauerte anderthalb Stunden bis Fort Smith und allein
    dreißig Minuten, um Fort Chaffee zu passieren, den Posten
    südöstlich davon. Rekruten raus, GIs rein. Eine Art Dos-à-dos*
    neben den Gleisen. Endlich ratterten wir wieder durch
    Arkansas.
    Später saß ich mit drei anderen Burschen im Speisewagen.
    Anscheinend Einzelgänger wie ich. Ein Marinesoldat auf dem
    Weg nach Pensacola und zwei Rekruten. Wir waren uns fremd,
    doch die drei brachen eine nette Diskussion vom Zaun: über
    den Ruf (Wert hätte der alte Diz gesagt) der Cards ohne Enos Country Slaughter* und der Dodgers ohne Pistol Pete Reiser,
    der volle Kanne in die Outfield-Bande rannte und sich total
    verausgabte.
    Mein Lieblingsthema. Nur daß meine Stimmbänder
    klemmten. Ich gestikulierte, nickte, grunzte und grinste wie ein nackter Schimpanse. Die drei – die nettesten Soldaten, die mir bis jetzt über den Weg

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