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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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nicht gemosert.
    Mir war das schnuppe. Ich brauchte Kühlung, egal wie.
    Jedenfalls hörte ich ihn, als er das Weite suchte. Ohne
    Fingerspitzengefühl brachte ein Bursche von Henrys Kaliber
    das Laufgewicht eines Schiebefensters unweigerlich zum
    Rumpeln. Er nahm soviel Raum in Anspruch, daß man bei
    seinem Abgang ein henryförmiges Luftloch spürte. Ich setzte
    mich auf, die Brust so trocken wie Talkum, den Rücken noch
    feucht vom klammen Bett.
    War Pearl, das Opossum, zurückgekommen? Ich krabbelte ans Fußende und spähte hinaus. Henry war bereits auf dem
    nächst tieferen Absatz der Feuertreppe. Ich duckte mich zurück und grapschte nach den Jeans. Der Reißverschluß hätte fast
    den Pimmel erwischt, so hastig wollte ich Henry nachsteigen.
    »Das ist nicht Pearl«, sagte ich mir auf der Feuertreppe.
    »Nicht mal Henry würde sich die Nächte um die Ohren
    schlagen, nur um mit einem Opossum anzubändeln.« Ich
    wollte der Sache ein für allemal auf den Grund gehen.
    Er bog ab und tauchte bei den Stangenbohnen unter, die
    Reihe um Reihe eine Ecke des Victory-Gartens füllten, der wie
    eine Pufferzone zwischen McKissic House und dem Bungalow
    lag. Ich kletterte barfuß die Feuertreppe hinunter und schlich ihm hinterher. Ein angenagtes Stück Mond versilberte den
    Garten, und Kopf und Brustkorb von Henry ragten so hoch auf,
    daß ich trotz der Bohnenranken sehen konnte, welchen Weg er
    nahm. Auch wenn er neulich beteuert hatte, nur selten zu
    lügen, so wußte ich, daß er mich zumindest ein Mal belogen hatte. Und daß er ein Mensch war, war die größte Lüge
    überhaupt, auch wenn er sich danach verzehrte, sie
    wahrzumachen.
    Wie dem auch sei, während ich zwischen samtweichen
    Kürbisblättern dahinschlich, hätte es mich nicht gewundert,
    wenn plötzlich Miss LaRaina aufgetaucht wäre – wie Ruth im

    Kornfeld –, eine Sammlerin übriggebliebener Samen, ihres
    Hungers wegen gekommen, nicht bloß um den Appetit ihres
    ∗
    unseligen Elimelech zu stillen, sondern auch den eigenen. Um
    so verblüffter war ich, als die Stimme, die mit Henry redete,
    nicht Phoebes launischer Mama gehörte, sondern Mister
    JayMacs porzellanzarter Frau.
    »Warum hier?« sagte sie. »Über der Garage ist es
    gemütlicher.« Blätter verwehrten mir die Sicht, doch selbst
    bäuchlings am Boden, die Wange an einem wurzeligen
    Lehmklumpen, erkannte ich die Stimme von Miss Giselle.
    »Einfach so.« Henrys Stimme klang sanft wie ein Fagott.
    »Entdeckt man uns dort, fallen wir in Ungnade. Entdeckt man
    uns hier, können wir unseren guten Ruf eventuell noch retten.«
    »Aber hier kann man nicht gut… spielen.« Miss Giselle
    lachte wie ein kleines Mädchen. Ich hörte sie zum ersten Mal
    lachen, und eine Kolonne von Raupen robbte mir
    quietschvergnügt ins Hohlkreuz.
    »Giselle, wir dürfen uns nicht derart treiben lassen.«
    »Wie du redest. Ich liebe es, wie du redest.« Tatsächlich
    brachte Henrys Protest sie erst richtig in Fahrt. Sie lachte ein bißchen kräftiger und zog sich an seine Brust. »Du klingst wie jemand aus einem Bronte-Buch.«*
    »Unterwegs habe ich ein paar andere…«
    »Pscht. Du könntest mir auf hübschere Weise den Laufpaß
    geben als mit Wir dürfen uns nicht derart treiben lassen. Wie wär’s mit Wenn wir so weitermachen, bringen wir uns noch
    um Kopf und Kragen?« Sie lachte wieder, aber ich wußte nicht, warum.
    »Diese Rendezvous machen mir angst«, sagte Henry. »Wir
    laufen Gefahr, selbst denen das Herz zu brechen, vor denen wir uns verstecken.«
    »Verstecken? Wer versteckt sich?«

    ∗ Ruth: der Erzähler rekurriert auf das biblische Buch Rut(h).

    »Quäle mich nicht. Necke mich nicht, laß die
    Wortklauberei.«
    Einen Moment lang fiel kein Wort. Ich hörte, wie sie sich
    umarmten, Krinoline an T-Shirt, und ich robbte und rutschte,
    um an den Kürbisblättern und Bohnenranken vorbei einen
    Blick zu erhaschen – vergeblich. Dann sagte Miss Giselle:
    »Komm mit, großer Mann.« Sie kicherte. Ich hörte die beiden
    durch den Garten rascheln. Ich kniete mich auf und krabbelte
    hastig hinterher. Sie gingen schneller, Laub rasselte, Zweige
    brachen, also watschelte ich drauf zu wie ein Pinguin.
    Ihnen zu folgen, wurde immer riskanter, je tiefer wir in den
    Garten kamen. Tomaten und andere kniehohe Pflanzen
    verdrängten allmählich die Bohnen und die Wälle aus
    Zuckermaisrispen, die mir eben noch Schutz geboten hatten.
    Der Jäger hatte bessere Sicht, aber auch die Beute, und dann –
    WUSCH! – kam ein

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