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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Bereich mit höheren Stengeln, ein
    Dickicht aus belaubten Speeren. Das Liebespaar verschwand
    darin wie Hänsel und Gretel im Zauberwald. Henry ließ sich
    zwischen den Malvenstengeln nieder, und Miss Giselle
    kuschelte sich in seinen Schoß.
    »Und warum hast du mich hierhergebracht?« sagte Henry.
    »Um deine Glut zu schüren«, sagte Miss Giselle. »Vergiß das
    ganze Wenn und Aber. Schau dir den Eibisch an und lies
    meine Gedanken.«
    Ich rückte auf. Die Okrablätter erschauerten. Das
    angeknabberte Profil des Mondes verzinnte die Stengel und die
    platzenden Fruchthülsen. Die Schoten standen hoch oder
    querab, wie angespitzte ›Ständer‹. Hätten Kobolde die Größe
    und die Heißblütigkeit von Menschen gehabt, dann hätten so
    ihre Penisse ausgesehen: ein Hain aus zarten silbergrünen
    Pimmeln.

    »Alt ist mein Wunsch, mich von animalischen Trieben zu
    befreien«, sagte Henry. »Bis du auftauchtest, war ich der
    Meinung, es sei mir gelungen.«
    »Tja, ich hege den Wunsch, mich ihnen zu unterwerfen.
    Bitte, laß nicht zu, daß ich durch feige Skrupel in meiner
    trostlosen Ehe verkomme.«
    »Suchst du Rache wegen Untreue und Vernachlässigung?«
    »Das auch. Aber was ich suche, hat mehr noch mit… mit
    Halten und Gehaltenwerden zu tun. Ich will in deinen Armen
    verreisen – an Orte, wo ich schon so lange nicht mehr war.«
    »Ich bin ein Monstrum. Ein Zerrbild. Die Laune eines
    gequälten, vermessenen Mannes.«
    »Henry, du bist schön.«
    »Ein Kompliment, das ich dir machen sollte.«
    »Deine Hände tun es. Sie sind wie Worte.«
    »Auch wenn meine Lippen ›Keriak!‹ rufen?«
    »Ruf, was du willst. Darf ich es einem Mann verübeln, daß
    sein Herz noch immer an seinem verstorbenen Eheweib
    hängt?«
    »Nein. Aber diesem Betrug müssen wir ein Ende machen,
    diesem Verrat an Mister JayMac und unserem Gewissen.«
    »Diesem süßen Betrug. Sagen wir es so.«
    »Quäle mich nicht. Necke mich nicht, laß die
    Wortklauberei.«
    »Pscht. Sieh mal.« Miss Giselle langte nach einem
    Okrastengel.
    »Nicht. Das Jucken ist unausstehlich.« Er meinte die
    kratzigen Haare der Okraschote.
    »Dafür habe ich dich. Hier.« Miss Giselle pflückte eine
    Schote, die mehrere Zoll lang war. »Kizzy oder Euclid oder
    einer von euch hätte sie längst pflücken sollen. Sie sind –
    anders als du – am zartesten, wenn sie kleiner sind. Die hier hat eine hornige Schale.«

    Henry nahm die Schote und schleuderte sie fort. Sie wirbelte
    durch den Okrahain und streifte mich am Hals. Ich tastete nach der kribbelnden Stelle und duckte mich tiefer an den Boden.
    »Magst du Gumbo?« sagte Miss Giselle. »Den klaren, süßen
    Schleim der Schoten? Der so dick und so lebendig ist?« Sie
    saß auf Henrys Knie und küßte ihn auf die Stirn.
    »Aber wir machen es nicht richtig«, flüsterte Henry. »Mein
    Sperma ist steril und dein Schoß nicht minder.«
    »Wir machen einander glücklich.« Miss Giselle rückte sich
    zurecht, so daß ihre Hände auf seinen Schultern lagen, und ihre Hüften hoben und senkten sich zu einem ungezwungenen
    Rhythmus. Die Scham pochte mir das Herz aus dem Leib.
    »GOTT!« rief Henry. Mir war, als müsse der Donnerschlag McKissic House erschüttern und die Kameraden
    ausschwärmen lassen, um herauszufinden, was da passiert war.
    Ich wagte nicht, mich zu rühren. Für Henry wär ich das
    Trüffelschwein, und Miss Giselle würde dafür sorgen, daß ich
    aus dem Team flog.
    Nach einer Weile bewegten sie sich wieder, Krinoline an
    Baumwolle. Ich umarmte die Erde.
    »Bring mich in die Wohnung von Darius. Du kannst mich
    jetzt nicht allein lassen.«
    »Aber das Risiko, entdeckt zu werden. Der Skandal, die
    Schande…«
    »Jetzt gleich, Henry. Jetzt!«
    Henry las Miss Giselle auf. Er trug sie aus dem Okrahain und
    querbeet durch Mais, Tomaten, Kürbisse, Bohnen, Wicken und
    Gurken auf die Garage des Bombers zu – in das Zimmer
    darüber, in dem der uneheliche Sohn ihres treulosen Gatten
    gehaust und mit seinem Schicksal gehadert hatte.
    Kaum waren sie fort, da pirschte ich zur Feuertreppe zurück.

    Zwei Stunden später kam Henry zu Bett. Ich tat, als ob ich
    schliefe. Doch eine Stunde oder länger saß er noch auf der
    Matratze, die Arme um die Knie geschlungen, ein grauer
    Koloß in der engen und feuchtheißen Mansarde.

    53

    BEIM BASEBALL VERGASS MAN DEN KRIEG. Unterwegs im
    Braunen Bomber las man Zeitung und redete darüber. Seit ich
    wußte, daß mein Dad auf den Aleuten gefallen war, horchte ich
    auf, wenn es

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