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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Lippen
    saßen Schaumtupfer; die Augen waren glühende
    Zehncentstücke. Meine Wut war noch nicht aufgezehrt, und
    sein reuloses Fluchen gab mir ganz und gar nicht das Gefühl, Dich, Daniel, schon ausreichend gerächt zu haben. Mit zwei Fingern nahm ich Hoeys Zunge und riß sie ihm blutig aus dem Mund. Seine Augäpfel quollen aus dem Kopf, sein Rücken warf sich, und aus seiner Kehle brach ein unartikuliertes Stöhnen.
    Ich nahm das Taschentuch vom Boden und stopfte es in diese garstige Höhle zurück – um die Blutungen und die wortlos
    geschrieenen Kränkungen zu stillen.
    Die Zunge Deines Tyrannen in der Hand, stand ich auf und
    weidete mich an seiner Verstümmelung. »Fahr zur Hölle!«
    befahl ich der sich windenden Gestalt. »Fahr zur Hölle auf immerdar!« Die trübgelbe Lederhaut von Hoeys Augen wälzte
    sich in die Stirn, so daß die Blutgefäße darin wie ein makabres Spiegelbild der geäderten Blätter unseres totenstillen
    Baldachins erschienen. Wie ein Blitzschlag durchfuhr mich der Zweifel, und ich wich vor dem Ort des Geschehens zurück, floh den Ort wie in meinem ersten Leben die Orte meiner
    Verbrechen, die in schmerzlicher Klarheit vor meinem
    geistigen Auge erstanden.
    Als ich den Alligator-Park verließ, Daniel, da gewahrte ich den Jagdhund, den ich vorhin in die Meute seiner Artgenossen geschleudert hatte. Er erkannte mich und hielt trotzdem Schritt mit mir. Sein Rückenhaar war gesträubt. Seine Augen blitzten wie die Leuchtfeuer der Orkney-Inseln*. Trotz meiner
    Gemütsverfassung mußte ich seine Zähigkeit bewundern. Zum
    Zeichen meiner Anerkennung schmiß ich ihm die Zunge hin,
    und er fiel über sie her.

    Hinter McKissic House war in den letzten zehn oder fünfzehn Minuten meiner Abwesenheit ein Chaos ausgebrochen. Die
    hier einquartierten Spieler drängten sich aufgeregt am
    Wiesenufer des Hellbender-Weihers, derweil Reese Curriden
    und Lon Musselwhite in einem hölzernen Kahn auf etwas
    zuruderten, das in mittlerer Entfernung trieb und aussah wie ein loderndes Kaminfeuer.
    »Geht nicht zu nah ran!« schrie jemand.
    »Was, zum Teufel, haben die vor?« sagte ein anderer. »Mit
    dem Ruder Wasser drüber schlagen?«
    »Was ist das? Was ist passiert?« flüsterte ich.
    »Das ist Miss Giselle in deinem Lederkanu«, sagte
    Dunnagin. »Sie wollte eine kleine Spazierfahrt machen, und –
    WUSCH! – stand das Ding in Flammen.«
    »Sie hat es mit Benzin getränkt«, sagte Trapdoor Evans.
    »Dabei ist das Zeug rationiert.«
    Ich zog meine Boots aus und lief in das blutwarme Wasser.
    Die Flammen aus dem Kajak – tatsächlich aber aus Miss
    Giselles schrumpfendem Oberkörper – züngelten himmelwärts
    wie eine windgezauste Wand aus Ringelblumen, Salbei,
    Azaleen und Rotklee. Ich schwamm auf diese Wand zu. Wie das verwirbelte Eiweiß von tausend blutigen Eidottern ringelten sich die Reflexe der Flammen im Wasser. Daniel, ich schwamm, ohne zu denken, gebannt von dem brennenden
    Kajak, ohne jede Vorstellung, was ich tun würde, wenn ich es erreichte. Schließlich – ziemlich rasch sogar – holte ich den Kahn ein, in dem Muscles und Curriden hinausgerudert waren.

    »Henry, nicht hinschwimmen!« rief Curriden.
    Wie besessen behielt ich meinen australischen Kraulstil bei.
    Curriden stieß mir das Ruderblatt in die Seite in der Hoffnung, mich dadurch von meinem Vorhaben abzubringen (was immer
    das sein mochte). Als er wieder nach mir stieß und mir die Rippen schrammte, packte und verdrehte ich das Ruderblatt
    und ließ nicht locker, bis er mit einem gewaltigen Klatscher ins Wasser fiel. Er schlug um sich und rang nach Luft, konnte sich aber wieder ins Boot ziehen, ohne es zum Kentern zu bringen, derweil ich unbesonnen weiterschwamm.
    Schon bald ging ich in die Hocke und trat auf der Stelle, denn die Hitze des schwimmenden Altars, auf dem Miss Giselle sich selbst geopfert hatte, schlug unbarmherzig zu; sie schien mir selbst jene Partien versengen zu wollen, die sich scheinbar gut geschützt unter Wasser befanden.
    »Giselle!« schrie ich, als könne ihr junger Leichnam mich
    hören.
    Muscles und Curriden – und die Kameraden am Ufer –
    forderten mich lautstark zur Rückkehr auf. Trotz der Hitze und meiner nachlassenden Kräfte schwamm ich näher an das
    Kajak heran, trat im lauwarmen Wasser auf der Stelle und
    fegte mit den Händen Fontäne um Fontäne gegen den
    entsetzlichen Anblick, der sich mir bot. Giselle saß in meinem Kanu wie eine tote, unvollständig eingeäscherte Braut, dann kippte sie

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