Brüchige Siege
wie eine abgelegte Marionette vornüber, und derweil die Flammen verzehrten, was es noch zu verzehren gab, ging sie mit dem Kajak unter, gebettet in einen Sitz aus längst verbrannter Grasmatte, und sank dem Schlick und Unrat am
Boden des finsteren Weihers entgegen.
Daniel, ich holte tief Luft und tauchte. Der Sog des gefluteten Kajaks, während es träge ins Dunkel stürzte, nahm sich meiner an. Ich wurde mitgezogen wie ein Fliege im armseligen
Mahlstrom eines Siphons. An welches Ziel würden mich die
nassen Kräfte bringen?
Zum Glück hatte ich meine Lungen zuvor mit Luft gefüllt, und mein diesbezügliches Fassungsvermögen übertrifft das dem
Menschen gemeinhin attestierte bei weitem. Die Nacht über
mir und die trübe Düsternis des Mediums, das mich umgab,
hatten sich verschworen, mich mit Blindheit zu schlagen. Und dennoch sah ich nicht bloß strähnige Vegetation und mit
Faulschleim überzogene Zypressenwurzeln, sondern auch den
verkohlten Leib meiner einstigen Geliebten und das
fischbeinerne Skelett meines Kajaks. Ja, während ich
hinabtrieb, sah ich im flüssigen Papyrusgespinst des Weihers sogar das geschwärzte Affengesicht und die zerbrechlichen
Glieder von Miss Giselle. Zumindest bildete ich mir ein, sie zu sehen.
Wie diese Frau aus dem sinkenden Kajak befreien? Ich sah
keine Möglichkeit. So sagte ich ihr beschämt Lebewohl und
wandte mich von ihrem nassen Grab ab, um zur Welt
zurückzufinden. In diesem Augenblick schlug die düstere
Szene, ins Bild gesetzt womöglich durch meine reumütigen
Wünsche und die Phosphoreszenz faulender Pflanzen- und
Tierreste, jählings in schwärzeste Finsternis um.
Sollte ich mich diesem erstickenden Medium überantworten
und für immer bei Giselle bleiben? Sie hatte sich das Leben genommen, um sich zu bestrafen. Sich und Mister JayMac und mich. Sich, weil sie einem nur flüchtigen Glück vertraut hatte, Mister JayMac, weil er ihr ein dauerhaftes verweigert hatte, und mich, weil ich ihren Schmeicheleien erlegen war, nur um meiner verwegenen Hingabe wieder abzuschwören, als mein
Gewissen sich – zu spät – behauptet hatte. (In der Tat, indem ich ihr nachgegeben hatte, hatte ich vielleicht meinen Schöpfer im nachhinein zum Hahnrei machen wollen, denn bei jeder
Vereinigung mit Giselle hatte ich das Antlitz von Elizabeth Lavenza, seiner Braut, vor Augen gehabt, die ich so grausam ermordet hatte.) Ich verdiente es nicht, bei Giselle zu sterben.
Sie war nicht meine Frau, und ich hatte sie zu kurz nur verehrt und geliebt, um in diesem nassen Mausoleum auf ewig an ihrer Seite zu schlafen.
Ich tauchte auf und schwamm ans Ufer zurück. Muscles und
Curriden waren mir zuvorgekommen. Niemand hatte eine
Ahnung, wo Mister JayMac war und was wir tun sollten. Evans hielt dafür, daß Mister JayMac sich ins Oglethorpe begeben hatte, um in den Armen einer schönen Frau nicht bloß unseren Sieg zu feiern, sondern auch Hoeys folgenschwere Attacke auf Daniel Boles zu vergessen. Mehrere schlossen sich dieser
Spekulation an.
»Ist mir schnuppe, wo er ist«, sagte Muscles. »Die Leiche
muß her. Heggie, geh und ruf die Feuerwehr. Sag auch den
Cops Bescheid.«
»Jetzt doch nicht«, sagte Lamar Knowles. »Ist viel zu dunkel, um nach ‘ner Leiche zu fischen.«
»Na ja, aber wenn Mister JayMac hier war«, sagte Muscles,
»dann würden Scheinwerfer aufgestellt und das Ganze war in einer Stunde gegessen.«
»Ist er aber nicht«, sagte Lamar Knowles.
Euclid kam von der Herberge herunter. Er schlängelte sich durch bis zu mir. Er sah verängstigt drein, was wohl an
meinem wilden und triefenden Anblick lag.
»Miz Hoey sagt, du weg mit Mr. Hoey. Sagt, Mr. Hoey noch
nicht zurück. Weißt du, wo er steckt?«
»Nein, keine Ahnung.« Ich bahnte mir einen Weg durch die
Menge, wohlwissend, daß Linda Jane Hoey und die hiesige
Gendarmerie schon bald auf den schlimm zugerichteten Hoey
stoßen und zu dem naheliegenden Schluß kommen würden, daß
ich es war, der ihm die Beine gebrochen und die Zunge aus
dem Mund gerissen hatte. Es schien, Daniel, daß die
Zeitspanne meiner unseligen Freiheit unter Deinesgleichen zu Ende ging – dahin war die Hoffnung, in meinem zweiten Leben vermittels Baseball eine Erfüllung und damit einen
Daseinszweck zu finden. Eine Woge von Bestürzung und
Ratlosigkeit trug mich nach McKissic House, die Treppen
hinauf und in unsere Dachstube.
Erstens, Daniel, hatte ich all meine Anstrengungen, die
Ruchlosigkeit meines ersten
Weitere Kostenlose Bücher