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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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wie eine abgelegte Marionette vornüber, und derweil die Flammen verzehrten, was es noch zu verzehren gab, ging sie mit dem Kajak unter, gebettet in einen Sitz aus längst verbrannter Grasmatte, und sank dem Schlick und Unrat am
    Boden des finsteren Weihers entgegen.
    Daniel, ich holte tief Luft und tauchte. Der Sog des gefluteten Kajaks, während es träge ins Dunkel stürzte, nahm sich meiner an. Ich wurde mitgezogen wie ein Fliege im armseligen

    Mahlstrom eines Siphons. An welches Ziel würden mich die
    nassen Kräfte bringen?
    Zum Glück hatte ich meine Lungen zuvor mit Luft gefüllt, und mein diesbezügliches Fassungsvermögen übertrifft das dem
    Menschen gemeinhin attestierte bei weitem. Die Nacht über
    mir und die trübe Düsternis des Mediums, das mich umgab,
    hatten sich verschworen, mich mit Blindheit zu schlagen. Und dennoch sah ich nicht bloß strähnige Vegetation und mit
    Faulschleim überzogene Zypressenwurzeln, sondern auch den
    verkohlten Leib meiner einstigen Geliebten und das
    fischbeinerne Skelett meines Kajaks. Ja, während ich
    hinabtrieb, sah ich im flüssigen Papyrusgespinst des Weihers sogar das geschwärzte Affengesicht und die zerbrechlichen
    Glieder von Miss Giselle. Zumindest bildete ich mir ein, sie zu sehen.
    Wie diese Frau aus dem sinkenden Kajak befreien? Ich sah
    keine Möglichkeit. So sagte ich ihr beschämt Lebewohl und
    wandte mich von ihrem nassen Grab ab, um zur Welt
    zurückzufinden. In diesem Augenblick schlug die düstere
    Szene, ins Bild gesetzt womöglich durch meine reumütigen
    Wünsche und die Phosphoreszenz faulender Pflanzen- und
    Tierreste, jählings in schwärzeste Finsternis um.
    Sollte ich mich diesem erstickenden Medium überantworten
    und für immer bei Giselle bleiben? Sie hatte sich das Leben genommen, um sich zu bestrafen. Sich und Mister JayMac und mich. Sich, weil sie einem nur flüchtigen Glück vertraut hatte, Mister JayMac, weil er ihr ein dauerhaftes verweigert hatte, und mich, weil ich ihren Schmeicheleien erlegen war, nur um meiner verwegenen Hingabe wieder abzuschwören, als mein
    Gewissen sich – zu spät – behauptet hatte. (In der Tat, indem ich ihr nachgegeben hatte, hatte ich vielleicht meinen Schöpfer im nachhinein zum Hahnrei machen wollen, denn bei jeder
    Vereinigung mit Giselle hatte ich das Antlitz von Elizabeth Lavenza, seiner Braut, vor Augen gehabt, die ich so grausam ermordet hatte.) Ich verdiente es nicht, bei Giselle zu sterben.
    Sie war nicht meine Frau, und ich hatte sie zu kurz nur verehrt und geliebt, um in diesem nassen Mausoleum auf ewig an ihrer Seite zu schlafen.
    Ich tauchte auf und schwamm ans Ufer zurück. Muscles und
    Curriden waren mir zuvorgekommen. Niemand hatte eine
    Ahnung, wo Mister JayMac war und was wir tun sollten. Evans hielt dafür, daß Mister JayMac sich ins Oglethorpe begeben hatte, um in den Armen einer schönen Frau nicht bloß unseren Sieg zu feiern, sondern auch Hoeys folgenschwere Attacke auf Daniel Boles zu vergessen. Mehrere schlossen sich dieser
    Spekulation an.
    »Ist mir schnuppe, wo er ist«, sagte Muscles. »Die Leiche
    muß her. Heggie, geh und ruf die Feuerwehr. Sag auch den
    Cops Bescheid.«
    »Jetzt doch nicht«, sagte Lamar Knowles. »Ist viel zu dunkel, um nach ‘ner Leiche zu fischen.«
    »Na ja, aber wenn Mister JayMac hier war«, sagte Muscles,
    »dann würden Scheinwerfer aufgestellt und das Ganze war in einer Stunde gegessen.«
    »Ist er aber nicht«, sagte Lamar Knowles.
    Euclid kam von der Herberge herunter. Er schlängelte sich durch bis zu mir. Er sah verängstigt drein, was wohl an
    meinem wilden und triefenden Anblick lag.
    »Miz Hoey sagt, du weg mit Mr. Hoey. Sagt, Mr. Hoey noch
    nicht zurück. Weißt du, wo er steckt?«
    »Nein, keine Ahnung.« Ich bahnte mir einen Weg durch die
    Menge, wohlwissend, daß Linda Jane Hoey und die hiesige
    Gendarmerie schon bald auf den schlimm zugerichteten Hoey
    stoßen und zu dem naheliegenden Schluß kommen würden, daß
    ich es war, der ihm die Beine gebrochen und die Zunge aus
    dem Mund gerissen hatte. Es schien, Daniel, daß die

    Zeitspanne meiner unseligen Freiheit unter Deinesgleichen zu Ende ging – dahin war die Hoffnung, in meinem zweiten Leben vermittels Baseball eine Erfüllung und damit einen
    Daseinszweck zu finden. Eine Woge von Bestürzung und
    Ratlosigkeit trug mich nach McKissic House, die Treppen
    hinauf und in unsere Dachstube.
    Erstens, Daniel, hatte ich all meine Anstrengungen, die
    Ruchlosigkeit meines ersten

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