Brüchige Siege
einzig sichtbaren
Flecken zu tilgen und die Pferdehaut wieder makellos zu
machen, dann wendete er das Leder und rieb die andere Seite.
»Das hat mal gelebt«, sagte er. »Denk daran – das war mal
die Haut von großen, stattlichen Tieren.« Er hörte auf, das
Leder zu reiben und legte die aufgespreizte Hülle oben auf die anderen Bälle – etwa so, wie man seinen Silberdollar zu den
anderen seltenen Münzen zurücklegt.
Ich fror und zog mein Hemd über.
Jumbo sagte: »Ich würde dich lieber Daniel nennen als Mr.
Boles. Darf ich?«
Ich zauderte eine Sekunde, bevor ich nickte.
»Dann darfst du Henry zu mir sagen – im stillen, meine ich.
Zwei Männer, die so eng beieinander wohnen, sollten nicht auf
Formalitäten bestehen.«
Ich war genau der umgekehrten Meinung, aber was sollte ich
machen? Jumbo war der ältere und verdiente ein bißchen
Respekt. Er streckte die Hand aus, um den Vertrag zu
besiegeln. Ich nahm sie mit der gleichen Inbrunst, mit der ich nach einem heißen Draht gegrapscht hätte.
»Daniel, von jetzt an bin ich Henry für dich.« Die Hand
fühlte sich kalt und trocken an, elastisch und hart – als stecke man seine Hand in die einer Statue aus Hartgummi.
Ich fand nicht, daß Henry der richtige Name war für einen Schlagmann von Jumbos Format. Hank war da schon besser –
wie in Hank Greenberg. Aber Jumbo wollte nun mal, daß ich
ihn Henry nannte und nicht Hank.
»Moment, Daniel. Ich habe noch ein kleines Geschenk für
dich.« Er griff unter sein Kopfkissen und holte zwei Kladden
und eine Handvoll Bleistifte heraus, das Ganze wurde von
einem Einmachgummi gebündelt. Die eine Kladde hätte man
in der Schule brauchen können, sie war so dick wie ein Roman
von Tolstoi. Die andere, ein bißchen größer als ein Päckchen
Spielkarten, konnte man in die Tasche stecken und mit sich
herumtragen. Ein Bleistift, er war schon gespitzt, trug einen
Taschenklipp. Jumbo legte mir den Kram in die Hände.
»Wenn du dich mit mir unterhalten willst«, sagte er, »dann
schreibst du einfach in das kleine Notizbuch, reißt die Seite
heraus und gibst sie mir. Ich antworte dann so, wie es das
Geschriebene erfordert.«
Ich lud Jumbos Geschenke in meinen Hemdschoß und
watschelte zu meiner Liege, wo ich sie ausschüttete.
»Das große Notizbuch kannst du als Tagebuch benutzen«,
sagte Jumbo. »Da kannst du für den Rest der Saison alle deine
Großtaten aufschreiben.«
He, mit der High-School war ich fertig. Warum sollte ich da
noch mal Aufgewärmtes von Baseballspielen in eine Kladde
kritzeln? Vermutlich zählte die gute Absicht, aber’n
Schokoriegel oder’n starkes Magazin wär mir lieber gewesen.
Im nächsten Moment dämmerte mir allerdings, es könnte
vielleicht einen Heidenspaß machen, über meine Zeit in
Highbridge Tagebuch zu führen. Ich hatte nämlich nicht vor, in Georgia alt zu werden, und eines Tages war ich vielleicht froh, wenn ich in meiner CVL-Laufbahn blättern konnte.
Egal wie schaurig Jumbo aussah oder wie komisch er redete,
er zeigte den guten Willen, mich wie einen Stubenkameraden
zu behandeln und nicht bloß wie ein lästiges Balg, das Mister
JayMac ihm aufgehalst hatte. Wer weiß, vielleicht waren es
meine Leistungen, die ihn umgestimmt hatten. Und was sagte
das über seinen Charakter aus? Hätte ich lausig gespielt, hätte er mich dann weiterhin wie einen Kakerlak behandelt? Doch
ein paar hundert Meilen von Tenkiller entfernt wußte ich
seinen Umschwung zu schätzen, so oder so.
Ich schlief mit voller Montur ein, in Tuchfühlung mit meinen
Kladden und Bleistiften, derweil Jumbo One World von Wendell L. Willkie* las.
Als ich aufwachte, war es stockfinster.
Jumbo hatte die Grasmatte zugezogen. Ich konnte sie riechen.
Ich konnte auch das sandige Aroma der Hortensien in der Vase
riechen. Ich zog mich aus und legte mich wieder hin. Jumbos
Schnarchen übertönte das Surren des Ventilators, und
zwischen uns schaukelte die Matte.
15
FREITAG. UNSER ERSTES HEIMSPIEL gegen Lanett. Mister
JayMac taufte es Scrap Metal Collection Drive Night. Jeder unter achtzehn, der ein Pfund Altmetall brachte (ein
ausgedientes Schaufelblatt, einen Beutel leere Filmpatronen
oder Farbbandspulen, ein Sammelsurium von leeren
Konservendosen), der also kam umsonst ins Stadion.
Platzanweiser sammelten das Altmetall ein, und
Geschäftsleute, die sich freiwillig zur Verfügung stellten,
transferierten es zum War Production Board.
Die Tribünen ächzten unter dem
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