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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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nicht auf zu reden. Mein Aussehen schien sie
    nicht abzuschrecken.
    »Homer isn Riesensalamander«, sagte sie. »Den hier hab ich
    innem Bach gefunden, da war ich neun. Onkel JayMac hat mir
    ‘nen Dollar dafür gegeben und ihn hier ins Stadion gestellt, als Highbridge in die CVL kam. Ich füttere Homer, tausche das

    ∗ Hellbender oder Schlammteufel: Riesensalamander im östlichen Nordamerika, lebt in Flüssen und Bächen und verläßt nie das Wasser, gefärbt von grau über gelblichbraun bis schwarz

    Wasser aus und schaff ihn nach der Saison wieder heim. Dann
    steht das Aquarium auf ‘nem Tisch in meinem Schlafzimmer.
    Sonst steht da meine Schreibmaschine, und ich tippe Briefe an
    Soldaten, die Heimweh haben.«
    Wie aufmerksam und patriotisch. Mr. oder besser Mrs.
    Roosevelt, hiermit stelle ich einen formlosen Antrag, Miss
    Phoebe eine Medaille zu verleihen.
    »Ein Obergefreiter und zwei Gefreite haben mir schon einen
    Antrag gemacht. Sie halten mich für älter. Ich hab sie dabei
    gelassen. Meine Briefe klingen ziemlich leidenschaftlich,
    weißt du.«
    Diese dusselige, aufgedrehte Göre. Ich hätte lachen können,
    aber das hätte sie genauso wenig vertragen wie ich an ihrer
    Stelle. Wir litten beide an einer typischen Teenagerkrankheit: Jeder wollte um jeden Preis ernst genommen werden.
    »Baseball isn Spiel für Einfaltspinsel«, belehrte mich Phoebe.
    »Manchmal isses wirklich nicht schön. Ihr macht da vor
    tausend Leuten Sachen, die ich nicht mal im Schlafzimmer
    mache, wenn keiner zukuckt.«
    Erst gab sie zu, ›ziemlich leidenschaftliche‹ Briefe an
    Soldaten zu schreiben, und dann tat sie verlegen, wenn ein
    Baseballspieler sein Suspensorium* zurechtrückte.
    »Aber etwas haben wir gemeinsam«, sagte Phoebe.
    Okay, dachte ich, laß mich nicht zappeln.
    »Einen guten Grund, warum wir nicht zum Militär müssen –
    ich bin ‘ne Frau, und du bist… na ja, das weißte ja.«
    Aja. Ich legte die Hände hinter die Ohren und machte den
    fliegenden Elefanten.
    »Quatsch. Wennde reden könntest, würdeste doch zur Army
    gehen. Oder?«
    Hmmm. Noch fünfeinhalb Monate, und ich war reif für die
    Musterung. Vielleicht würde ich das Problem mit meiner

    Stimme – unbewußt, versteht sich – ausnützen, um nicht
    eingezogen zu werden.
    Hinter uns kreuzte Dunnagin auf. Er kam aus dem Clubhaus.
    »Du hast ganz recht, Phoebe. Ich würde auch lieber Japse
    jagen als einem CVL-Wimpel nachlaufen. Die anderen haben
    den Spaß, und wir sind die Angeschmierten.«
    »Du bist alt, Dunnagin«, sagte Phoebe. »Aber nicht zu alt,
    um dich freiwillig zu melden.« Sie schien mehr oder weniger
    erfreut über sein Erscheinen.
    »Wenn du wüßtest«, sagte Dunnagin. »Methusalem ist nichts
    gegen mich. Wenn ich dieses Jahr kein Comeback habe, ist
    meine Karriere vorbei. Dann bin ich Schnee von gestern.«
    »In der Army könnteste mehr für Uncle Sam tun. Auch mehr
    für dich.«
    »Ich unterstütze die Moral der Bürger«, sagte Dunnagin. »Ich
    unterstütze die Moral der Spieler. Sie erleben mich auf dem Feld, sie denken, was der kann, das können wir auch. Sie
    gehen nach Hause, gestärkt und voller Zuversicht.«
    »Schäm dich«, sagte Phoebe.
    Dunnagin wirkte nicht sehr beschämt. »Danny, der Bomber
    fährt gleich los. Gib Gas.«
    Ich nickte, und Dunnagin zog ab.
    Phoebe stieg von den Holzstufen. Im Aquarium ringelte sich
    Homer und rührte das Dunkel auf – das erste Mal, das ich sah,
    daß er nicht bloß ein schwammiges Stück Rinde war. Hurra.
    Kein Baseballteam wollte ein totes oder völlig apathisches
    Maskottchen.
    »Du mußt los«, sagte Phoebe. »Du läßt da einen Haufen
    Leute schmoren. Ein Dampfkochtopf is nix dagegen.«
    Ich machte den Zweifingergruß.
    »Du bisn fabelhafter Shortstop«, sagte sie. »Und laufen
    ∗
    kannste wien Herbstfeuer.«

    ∗ Herbstfeuer meint das Abbrennen der Felder im Herbst.

    Unverhoffte Anerkennung. Trotzdem hätte ich gerne noch
    hinzugefügt: Weißt du, daß ich schneller bin, als einem das
    Wort Gott über die Lippen kommt? Das hat mir heute eine
    hiesige Institution gesagt.
    Dem Himmel sei Dank, daß ich keine Stimme hatte.

    14

    MEIN ZWEITER ABEND IN MCKISSIC HOUSE. Ich hatte keine
    Eile, zu Jumbo raufzugehen. Die Hitze in dem Loch und die
    Vorstellung, mit kitzelndem Kehlkopf auf der einen Seite einer Grasmatte zu kauern, derweil er auf der anderen Seite schlief oder schmökerte – was war daran so verlockend? Mit ihm
    reden konnte ich nicht, und die Matte, die er zwischen

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