Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
geliehen.
    Um zwei Uhr nachmittags wechselten die Autoschlüssel den
    Besitzer – im Clubraum, gerade als Fadeaway, Junior, Skinny
    und ich die Startlöcher für ein neues Pokermarathon wetzten.
    »Und daß du mir vor Einbruch der Dunkelheit zurück bist«,
    sagte Mister JayMac zu Jumbo. »Morgen haben wir es mit
    diesen verflixten Mudcats zu tun. Du brauchst deinen Schlaf.«
    Dann ging er steifbeinig aus dem Haus.
    Jumbo schloß die Faust um die Autoschlüssel und polterte die
    Treppe hinauf. Ich ließ meine Pokerrunde im Stich und ging
    ihm nach, doch Jumbo nahm jedesmal zwei, drei Stufen auf

    ∗ hübsches Städtchen mit günstigen ökonomischen Bedingungen

    einmal und war vor mir in der Mansarde. Als ich nachkam,
    stand er da und hielt den rätselhaften Karton mit den
    gebrauchten Bällen in der Hand.
    »In Alabama habe ich einen kranken Verwandten«, sagte er.
    »Letztes Mal wollte ich ihm die Bälle schon mitnehmen, aber,
    na ja…«
    Dein kranker Verwandter freut sich über alte Bälle? dachte
    ich.
    »Ein Projekt«, sagte Jumbo und wog den Karton. Die Wulste
    und Höcker in seinem Gesicht liefen rot an, um nach und nach
    wieder die alten kreidigen Töne anzunehmen. »Entschuldige
    mich, Daniel.« Ich machte ihm den Weg frei.
    Jumbo trug den Karton ins Parterre, stellte ihn auf den
    Rücksitz von Mister JayMacs Caddy und fuhr los. Er schien
    die ganze Front auszufüllen, wie die Galeonsfigur eines
    Thanksgiving-Wagens.
    Nach etwa fünf Stunden war er zurück, hohläugig und
    traurig. Er ging schnurstracks nach oben und streckte sich aufs Bett. Ich brachte ihm eisgekühlten Tee und eine Schüssel mit
    Gemüse, fand ihn aber in einer Art Trance zwischen Schlafen
    und Wachen. Er aß nicht einen Bissen und nippte nicht mal.
    Am nächsten Morgen schien er wieder fit zu sein. (Zum
    Frühstück verschlang er Früchte, Pfannkuchen und Saft.) Ich
    dagegen hatte eine schlimme Nacht hinter mir. Mein
    komischer Kauz von Zimmerkamerad hatte ein paar Fuß weit
    von mir dagelegen mit gelbglitzernden Augenschlitzen und
    fleischigen Pranken, die die Bettdecke kneteten. Ich taumelte
    den ganzen Morgen herum wie ein Kodein-Junkie. Mir dräute
    das erste Spiel gegen Eufala.
    Zum Teufel mit Jumbo, dachte ich, wie ein Zombie werd ich
    spielen.
    Und das tat ich dann auch. Die Mudcats zogen uns das Fell
    über die Ohren. Sie machten uns alle. Wir verloren an diesem

    Freitag mit neun zu eins. Mister JayMac krempelte die Bank
    um bei dem Versuch, jemanden aufzutun, der auch nur das
    Leiseste gegen ihren Pitcher Jimmy Becker ausrichten konnte.
    Umsonst. Beim siebten Inning saßen selbst Muscles und
    Charlie Snow auf der Bank, ausgetauscht gegen Burt Fanning,
    Mädchen für alles, und Quip Parris, den Pitcher. Hoey machte für mich den Shortstop, Knowles hatte Junior am Second
    abgelöst. Unsere Fans veranstalteten ein Pfeifkonzert oder
    verließen wütend das Stadion.
    »Freunde im Glück«, sagte Muscles.
    »Ich kann sie verstehen«, meinte Snow. »Sie bezahlen nicht
    dafür, daß wir uns in die Kniekehlen scheißen.«
    Ich bemerkte ein merkwürdiges blaurotes Mal an der
    Innenseite seines Unterarms. Snow war im dritten Inning
    gegen die Bande geprallt – wegen eines Home Runs, der sich
    flüchtig abgezeichnet hatte. Ein länglicher, schmaler
    Bluterguß, der aussah wie eine lavendelblaue Schlange mit
    schwarzem Rückenpelz und lauter Besenreißerfüßchen. Aus
    einem unerfindlichen Grund streckte ich den Arm aus und
    berührte das Mal. Ganz sachte. Er zog den Arm so schnell
    zurück, daß man hätte meinen können, ich hätte ihn mit einem
    Stachelstock gepiekst.
    »Laß mich zufrieden, Boles.«
    Was, zum Teufel… Snow zählte neben Muscles, Curriden,
    Nutter und Dunnagin zu den zähesten Burschen im Team. In
    Uniform, dachte ich manchmal, könnten die fünf mühelos die
    Preußen aus Nordafrika verjagen.
    Ich weiß nicht, woher ich den Schneid nahm, aber ich nahm
    Snows Hand, um mir den schlangenähnlichen Bluterguß
    genauer zu besehen. Junge, er mußte richtig in die Reklame für Migräne-Pulver gerasselt sein! Kam selten vor, daß Snow an
    die Bande prallte. Selbst wenn er volle Kanne draufhielt,
    berechnete er den Sprung so, daß er sich noch abrollen konnte.

    Keine tollkühnen Pete-Reiser-Mätzchen für Snow. Hatte er
    nicht nötig. Er wußte zu hechten bei weiten Flugbällen, und
    das mit Augenmaß.
    »Ist nicht von heute«, sagte Snow ein bißchen freundlicher.
    »Sieht schlimmer aus, als es ist. Laß los.«
    Ich ließ

Weitere Kostenlose Bücher