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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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schlenderte zum Third,
    ein Hundevater hinter seinen Welpen.
    Dunnagin trabte zur Home Plate, um zu fangen, und Darius
    folgte ihm zur Überraschung der ganzen Zuschauer, um die
    Aufwärmbälle zu schlagen. Aber Jumbo übernahm nicht das

    ∗ Fünfundachtzig Grad Fahrenheit sind etwa 29,5 Grad Celsius.

    First. Er schickte Sudikoff und verschwand im Unterstand. Ich
    ging davon aus, daß er sich nicht besonders wohl fühlte nach
    dem Unfall von Dienstag und bei dem Tiefdruck, den das
    Barometer anzeigte.
    Jedenfalls lieferten Junior und ich den Rängen eine
    ballettreife Kostprobe am Second, und das seltsame
    Verschwinden von Jumbo entglitt unserer Aufmerksamkeit.
    »Fünf Minuten bis Spielbeginn!« rief Little Cuke Gordon für
    beide Bänke. »Keine Verzögerung mehr!«
    Wir trabten zur Bank. Die Gendarmes trabten auf den Platz.
    Jumbo war nicht im Unterstand, er war uns abhanden
    gekommen, einfach so. Wenn er nicht auftauchte, bevor
    Wallace den ersten Wurf tat, dann mußte ein anderer für ihn
    schlagen und wir verloren ihn für das gesamte Spiel. Mister
    JayMac packte mich und preßte meinen Arm wie einen nassen
    Hemdsärmel.
    »Such Clerval. Er schlägt als Fünfter, also dalli!«
    Ich kannte mich rings um The Prefecture so gut aus wie im Grabmal von Tutench-Amun, und im Highbridge-Dress kam
    ich mir in diesem Stadion ungefähr so willkommen vor wie ein
    Farbiger im flackernden Schein des Flammenkreuzes*. Jumbo
    war nicht im Umkleideraum. Ich stieß eine Tür auf und
    klabasterte durch einen Flur, der mich zum
    Konzessionsbereich und den Drehkreuzen brachte. Ich harkte
    mit meinen Spikes die Gegend ab – keine Spur von Jumbo.
    Das Verstärkersystem der Gendarmes funktionierte wieder
    (wenn es denn jemals defekt gewesen war), und die
    Lautsprecher verkündeten mit einer Stimme, die einer
    Hirtenflöte zur Ehre gereicht hätte, die Besetzung am heutigen Abend. Jemine! Was, wenn ich nicht wieder zurück war, bevor
    Wallace den Fuß auf die Hartgummiplatte setzte? Dann büßte
    Mister Jay-Mac zwei erstklassige Spieler bei ein und derselben saudummen Schnitzeljagd ein.

    Hinter einer Hotdog-Bude erklomm ich eine Leiter, die aufs
    Dach von Haupttribüne und Pressekabine führte. Von da oben
    konnte man jeden Quadratzoll des Stadions einsehen. Die
    Spikes machten mir Angst – ich glitt immer wieder ab oder
    blieb in den Sprossen hängen – doch ich kletterte so affenflink wie ich konnte. Der Abendhimmel tat sich auf, und die Gasse
    unter mir schrumpfte zur Fallgrube.
    Oben angelangt, auf gut einem Morgen salzweißem Kies im
    Asphaltbett, brauchte ich nicht mehr suchen. Jumbo stand am
    Mast der zentralen Lampenbatterie. Hinter ihm ballten sich
    Gewitterwolken unter einem Himmel aus verdünntem
    Forellenblut. Elektrisch aufgeladene Staubfahnen hingen in der Luft, wie eine Schlachtreihe von Engeln. Ohne die
    Gewitterwolken wäre es noch taghell gewesen; die Brise, die
    über den Theaterstrand des Daches strich, brachte den Geruch
    von alter Borke und minzigem Nierenfett.
    Jumbo stand mit dem Rücken zum Wind, sein Haar hob sich
    und wehte. Er hielt die Arme ausgebreitet wie ein Engel, der
    gleich abhebt, oder wie ein Gekreuzigter.
    Irgendwo betätigte ein Platzwart einen Schalter.
    Die Lampen über Jumbo flammten auf, ein Auge ums andere.
    Facetten. Dutzende von Facetten. Ein einziges gigantisches
    Libellenauge, in dem sich eine imaginäre Sonne brach.
    Gleißendhell. Die Lichtflut setzte mir perlmuttfarbene
    Austernschalen hinter die geblendeten Augen.
    Mein Sehvermögen kam zurückgesickert – in Zeitlupe. Aber
    Jumbo, Mann-oh-Mann – seine Augen verwandelten sich in Silber. Dann in Kupfer. Dann in Gold. Dann in Bernstein, wie
    die einer verdutzten Katze. Sein Körper zuckte, rüttelte und
    schüttelte, ohne daß sich die Füße von der Stelle rührten – als suchten ihn die Krämpfe von den Knien aufwärts heim. Die
    Arme erstarrten und fielen an den Körper, und dann fuhr es
    wieder in ihn, wie in den Mann in dem Stuhl in Reidsville,

    wenn unser Scharfrichter das Okay bekam und den Strom
    einschaltete.
    Donnerschläge barsten über dem Stadion. Das raunende
    »Ooooooh« der Leute klang wie das wehmütige Staunen bei einem Feuerwerk. Dann, was immer mit Jumbo geschah –
    dieses elektrische Wiederaufladen – es hörte auf. Als sei es genug, fertig, beendet. Es ließ ihn los, und Jumbo tat einen
    Taumelschritt auf mich zu. Und noch einen. Am liebsten wär
    ich wie eine Krabbe seitwärts über den Rand des Daches

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