Brüchige Siege
»Vielleicht die Phillies. Vielleicht hat Mr.
Cox seine Scouts auf dich angesetzt.«
Dann hatten diese Scouts auch gesehen, wie ich gestern
abend das Spiel geschmissen hatte. Da war Jumbo eher dran
als ich, auch wenn er im Laufen nicht gerade ein As war.
»WER IST DER ABSENDER?« dröhnte Jumbo.
»Mrs. Laurel Boles«, sagte der Bote im Flur, »aus… äh…
Sir, ich weiß nicht, irgendwo in Oklahoma.«
Jumbo hob eine Augenbraue. »Deine Mutter, Daniel?«
Ich war schon auf dem Weg. Mama schrieb, aber sie
telefonierte nicht und schickte auch keine Päckchen – das war
ihr zu teuer.
Der Bursche im Flur sah nicht nach Western Union aus. Es
war der Portier, der uns eingecheckt hatte. Ich langte nach der Zustellung, was immer es sein mochte.
»Nicht so schnell«, sagte er, eine Hand auf dem Rücken. In
der anderen hielt er ein fast durchsichtiges Blatt Papier. Er hob es in Brusthöhe. »Ich muß Ihnen das vorlesen – ein singendes
Telegramm, das nicht singen kann.« Er las es trotzdem in
einem schnoddrigen Singsang:
»My dear darling Daniel, My dear dummy child,
When out in your flannels, Don’t throw it wild.
I like the ball white, son. Why did you soil it?
What the ‘Benders had won, You flushed down the toilet.
Your shame like your words, lad, Must stick in your throat.
∗
So to cuddle at night, kid, You’ve got… MY GOAT!«
Erst jetzt zog der Portier das Steiftier mit dem fusseligen
Kinnbart hinter dem Rücken hervor und stieß es mir vor die
Brust.
»Gezeichnet: Laurel Boles, deine dich liebende Mutter«,
sagte er. »Guten Abend.« Und noch ehe Jumbo ihn fragen
konnte, wer ihn zu diesem Schmierentheater angestiftet hatte,
warf der Bursche das Blatt über die Schwelle und suchte das
Weite. Ich drehte mich um und schmiß den Ziegenbock an die
Wand. Aus einer aufgeplatzten Bauchnaht quollen
irgendwelche Füllsel. Ein Horn hatte sich gelöst und hing wie
das Ohr von einem Vorstehhund.
Ich ging ans Fenster, packte in die Vorhänge und fing an zu
heulen. Jumbo schwang sich unter einer Kaskade von
Knicksern und einem Jazzbesenkreischen der Federn vom Bett
und türmte sich hinter mir auf. Er war genauso hilflos wie ich.
Ich wußte nur eins: Mein Schlagschnitt von 0.432 und meine
Geschicklichkeit am Short waren keinen Pfifferling wert, wenn
ich Heimweh hatte und vor Wut mit den Zähnen knirschte.
Dann tat Jumbo etwas, um mich abzulenken. Er drehte mich
um.
»Turkey Sloan«, sagte er. »Vermutlich hat Turkey Sloan
dieses Liedchen geschrieben, das uns dieser… dieser
∗ Adaption: Daniel, mein Spatz, Mein Stummchen, was ist los?
Da draußen auf dem Platz, Wirf nicht so drauflos.
Ich mag die Bälle blütenweiß, Und du sie dreckig, Danny Bo.
Was Benders errungen mit ihrem Schweiß, Du spülst es einfach in den Klo.
Du kannst nicht mal nuscheln, Wie leid es dir tut.
Drum sei dir zum Kuscheln MEIN SÜNDENBOCK gut!
Hundsfott ä la Western Union vorgelesen hat. Aber wer hat
ihm geholfen?«
Buck Hoey, dachte ich, mein Tröster im Umkleideraum.
»Buck Hoey«, mutmaßte Jumbo. »Die Querulanten Evans,
Sosebee und Sudikoff – die ewig Unzufriedenen.«
Ich hatte gewußt, daß Hoey mein Feind war, aber zu hören,
daß mich eine ganze Reihe von Hellbenders plattmachen
wollten, das war entmutigend.
Jumbo las in meinen Augen. »Lache sie aus, Daniel. Stimme
ein in ihr Gelächter. Das da« – er zeigte mit dem Kinn über die Schulter – »mag von Gehässigkeit diktiert sein, aber es bleibt ein Schabernack.« Er ging und hob das Gedicht auf. »Es ist
zwar taktlos aber nicht ohne Witz, Daniel.« Er reichte mir das Blatt.
Ich las die Gemeinheit zweimal, als wollte ich sie auswendig
lernen, dann zerriß ich sie in tausend Stücke und schmiß die
Schnipsel in die Luft. Ich war wütend. Jumbo blinzelte, ein
Fetzchen landete auf seinem Augenlid und blieb wie eine
Schuppe daran hängen.
»Daniel«, sagte er. »Daniel.«
Vielleicht wollte er mich beruhigen, vielleicht tadeln,
jedenfalls klang das ›Daniel‹ aus seinem Mund so rätselhaft, daß sich mir die Nackenhaare sträubten. Ich stand unter Strom
wie Jumbo gestern unter dem Lampenmast. Ich glühte. Ich
bückte mich und hob das Steiftier auf, das von der Wand
abgeprallt war. Zischelnd fuhr ich mit den Fingern in die
aufgeplatzte Naht und weidete den Ziegenbock aus. Ich riß die
Knopfaugen heraus, riß die Hörner herunter, drehte den
Schwanz ab, brach und verstümmelte die Beine. Ringsherum
wirbelten
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