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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Schlaf.
    Während Jumbo las, rollte der Donner des abgeschiedenen
    Nachmittags durch meine Adern und zerrte an den Zipfeln
    meines Bewußtseins. Ich schlief, doch das Gewitter schien mir
    näher zu sein als Jumbos rauhe Atemzüge, was bedeutete, daß
    die von Mister JayMac befürchtete Wetterfront die Stadtgrenze
    erreicht hatte.
    »Laß uns gehen.« Jumbo rüttelte mich. Ich fuhr wie ein
    Wackelpudding aus dem Schlaf, benommen und
    schweißgebadet und lag in Tenkiller und war von einem
    Lautsprecher aufgewacht, der die jüngsten Tornadomeldungen
    übertrug. Der Blick aus Jumbos gelben Augen bohrte sich in
    mein Herz und träufelte mir die zähe, klebrige Tatsache ein,
    daß ich in LaGrange war. Weit weg von zu Hause.
    Zwei Stunden, bevor das Spiel anfangen sollte, waren wir
    umgezogen und verließen das Hotel. In Straßenschuhen, die
    Spikes wie Schlittschuhe um den Hals gehängt, spazierten wir
    zum Baseballstadion. Die Leute wichen uns aus und drehten
    die Köpfe, doch wir gaben uns unbefangen. Die meisten
    wußten, daß eine Gendarme-Hellbender-Entscheidung ins
    Haus stand, und manche kannten Jumbo noch vom letzten
    Jahr.
    Spätestens seit dem Wochenende, an dem wir unsere erste
    Serie gegen die Gendarmes gespielt hatten, wußte jeder
    gescheite Fan im Chattahoochee Valley, daß die Flagge

    diesmal nach Highbridge, LaGrange oder Opelika gehörte.
    Eufala hatte, trotz der unentschiedenen Viererserie mit uns von letzter Woche, einen miserablen Monat zu verbuchen. Jetzt
    teilten sich LaGrange und Opelika den ersten Platz mit jeweils achtzehn Siegen und dreizehn Niederlagen. Wir lagen mit
    siebzehn und vierzehn ein Spiel zurück.
    Nichts Auffälliges, was das Kopf-an-Kopf-Rennen oder das
    Fieber auf der Straße anging – Banner in den Schaufenstern,
    Rosin-Potato-Verkäufer vor dem Stadion, die ihre Knollen aus
    pechschwarzen Eisenkesseln feilboten. Ein Mann hatte seinen
    klapprigen Pickup außen geparkt, an der Heckklappe hing ein
    Schild: UNBRELLAS – 50 SENTS und auf der Ladefläche standen Gewehrpyramiden von Schirmen – rohgeschnitzte
    Griffe, gepunkteter Stoff.
    »Vergeßt den Schirm nicht, Leute!« brüllte er auf dem Pick-
    up. »Schütz euch vor einer Dixie-Dreckdusche! Kauft bei
    mir!«
    Ein Aufseher lotste Jumbo und mich durch einen Eingang für
    Spieler, und wir marschierten zum Besucherquartier. Mit dem
    Unterschied, daß man sich in dem Spindraum wie ein
    Gendarme fühlte. Die Bänke hatten die Farbe von reifem Weizen, die Spinde waren funkelnagelneu, und die
    Duscharmaturen glänzten so kupfrig wie frisch geprägte
    Pennies. Kein schaler Schweißgeruch. Kein Schimmel oder
    Muff. (Die Toiletten hatten sogar Türen!)
    Jumbo und ich legten die Spikes an und landeten schließlich
    im Outfield. Ein paar Frühaufsteher in den Tribünen zeigten
    mit dem Daumen nach unten und pfiffen. Beim Auflockern
    bewunderte ich die sauberen dunkelgrünen Holzbande, die
    Pressekabine hinter der Home Plate, die Lampenbatterien rings
    um den Platz, die wie riesige elektrische Sonnenblumen
    aussahen.

    Jumbo und ich warfen weit und so hoch, daß der Ball in dem
    blauen, von dräuenden Wolken umzingelten Loch zu
    verschwinden schien. Der Donner grollte und rollte. Wie
    Giftpilze sprossen die gepunkteten Regenschirme aus den
    Tribünen, die Luft roch feucht, die Temperatur sank unter
    ∗
    fünfundachtzig.
    Eine halbe Stunde vor Spielbeginn stellte sich Mister JayMac
    ein und schlug ins Infield.
    »Betet, daß es regnet!« schrie ein Fan. »Ihr Trottel!«
    Mister JayMac rief alle Spieler zusammen. Er gab Little
    Cuke Gordon, dem Chef-Schiedsrichter, die Karte mit der
    Aufstellung. Er riet uns, von Anfang an loszuschwingen gegen
    Sundog Billy Wallace, weil – »wenn ihr ihn früh unter
    Beschuß nehmt, macht er’s nicht lange«.
    »Er ist wie geschaffen für die Jagd«, sagte Mister JayMac.
    »Aber je länger die Verschnaufpausen, desto stärker fühlt er
    sich. Ihr müßt den Satan rauslassen, um ihn zur Strecke zu
    bringen.«
    Irgendwelche Probleme mit der Verstärkeranlage oder mit
    der Wertungstafel waren schuld, daß Emmett Strock, der
    Gendarme-Manager, zu uns rüberkam und Mister JayMac
    informierte, es könnte noch zwanzig Minuten dauern, bis Little Cuke ›Play ball!‹ rufen würde. Ob wir noch ein paar Minuten
    im Infield spielen wollten.
    »Herrje«, sagte Mister JayMac, »was für ein Theater. Man
    kann nicht genug Zeit zum Aufwärmen haben, schlagt ins
    Feld!«
    Junior und ich spurteten los. Curriden

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