Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
Furcht war nun selbst unter den Erinnerungen keine starke mehr. Wie oft
war er dem Stadtschiff seitdem wieder begegnet? Zweimal, in der Höhle des Alten Königs ?
    Â»Fahrt Ihr nach Etridti Djuzul? Nach Tengan?«
    Â»Immer nach Tengan. Nur nach Tengan.«
    Â»Und kommt Ihr auch jemals dort an?«
    Â»Das kommen wir, binnen Mondesfrist.«
    Ein Mond, das sind etwa anderthalb Stunden auf dem Kontinent, dachte
Eljazokad. Aber es ist dennoch ein ganzer Mond Fron. Und mehr noch. Freiwillig
würde man ihn nie mehr von Bord lassen, wenn er erst seinen Dienst angetreten
hatte. Ihm blieb nur Martelas Fünf, um zu entkommen. Unser
Sohn ist für das Stadtschiff von Tengan bestimmt. Trage Sorge dafür, daß er
seinen Träumen folgt, sonst wird er dem Schiff ins Netz gehen. So hatte
die Prophezeiung seines Vaters gelautet.Er war seinen
Träumen gefolgt und konnte dem Schiff nun aus freiem Willen ins Netz gehen.
Zarvuer war also – für einen jungen Vater, der seine Frau, seinen Sohn und die
Magie im Stich ließ, um sich vor der Verantwortung zu drücken – ein erstaunlich
hellsichtiger Mann gewesen.
    So ging Eljazokad an Bord des Stadtschiffes und wurde zum
Rudersklaven.
    Vom Schiff sah er nie viel. Er wurde eingegliedert in eine endlose
Reihe überwiegend nackter, schweißglänzender, striemenübersäter Männer- und
Frauenrücken unter Deck und bekam eine Ruderstange, um mit ihr zu leben und zu
sprechen. Der Gestank war bestialisch. In den wenigen Stunden, in denen die
Sklaven losgekettet wurden, um entsalztes Wasser zu trinken und in Netzen
hängend zu schlafen, fielen sie kreischend übereinander her, um sich entweder
zu würgen oder zu bespringen. Oftmals war beides nicht voneinander zu trennen.
    Eljazokad geriet während des Mondes nur einmal wirklich in
Lebensgefahr. Ein Dutzend Sklaven hatten ihn nach einer nächtlichen
Deckschrubbaktion umringt und in einen Lagerraum abgedrängt, um sich an seinen
Tagebuchpergamenten zu vergreifen und sie zur Körperreinigung
zweckzuentfremden, doch er ließ Tränen aus Licht über seine Wangen rinnen, ein
Effekt, der ihn unter den Leichtgläubigeren in den Status eines Wundertäters
und Propheten erhob. Davon abgesehen waren die Tage eintönig und finster. Alles
verlor sich in Ölschmiere und Schweiß. Der Taktschlag einer hausgroßen
Kesselpauke unterwarf das Leben seinem Rhythmus. Gepeitscht wurde Eljazokad
nie, denn obwohl er vom Körperbau her nicht einer der Kräftigsten war, war er
der einzige an Bord, der wußte, daß seine Fron bald ein Ende haben würde, und
dieses Wissen gab ihm die Kraft zum Durchhalten. Zu essen gab es rohen Fisch
und Grießbrei. An Deck kam man nur nachts, wenn von der Welt nichts zu sehen
war außer den Masten, zum Schwabbern oder Segelflicken, und unter Deck im
endlosen, von Rippenbögen segmentierten Hallenreich der Sklaverei, gab es nur
rußige Funzeln und stinkenden Talg.
    Am wenigen durch die Ruderluken einfallenden Licht konnte Eljazokad
den Fortgang der Tage verfolgen und mitzählen. Und tatsächlich, nach 26 Tagen,
ertönte oben an Deck der Ausruf: »Etridti Djuzuuuuuuul!«
    Eljazokad geduldete sich noch, bis das Schiff vor Anker ging und
draußen Beiboote zu Wasser platschten. Dann sagte er laut: »Martelas Fünf.«
    Die Gegner, die nun kamen, waren ihm eigenartig vertraut, aus der Höhle des Alten Königs , obwohl er ihnen persönlich noch nie
begegnet war.
    Sie waren zu dritt, ein Mann, eine Frau, ein Knabe. Sie hatten
silberne Augen, und wenn sie lächelten, zeigten sie die gebleckten, überlangen
Gebisse von Pavianen. Sie waren sehr schön, alle drei, und ihre Bewegungen
waren sanft und beherrscht, obwohl um sie her Chaos und Vernichtung losbrachen.
Ein stechender Geruch nach Hagebuttenessenz mischte sich in den leiblichen
Gestank der Sklaven.
    Die Radikalität dieser Gegner war beispiellos. Während sie sich zu
Eljazokad hinarbeiteten, bogen sich die Rippenspanten des Unterdecks nach
innen, begleitet von roh einbrechendem Wasser und dem Bersten jahrtausendealten
Materials. Das Stadtschiff von Tengan begann zu sinken.
    Schließlich hatten die drei Eljazokads Ruderplatz erreicht.
    Â»Erneut begegnen wir uns«, sagte die Frau, und Eljazokad spürte ein
fast unmenschliches Begehren zu ihr in sich aufsteigen. »Und erneut verstehe
ich es nicht. Eigentlich hätten wir uns nie begegnen dürfen. Wo

Weitere Kostenlose Bücher