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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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in der Tasche. Der fünfte
steht noch vor uns.«
    Â»Aber die Karte soll doch Vergangenheit zeigen«, widersprach Tjarka.
»Wie soll sie dann schon euren nächsten Auftrag enthalten?«
    Â»Weiter!« forderte Eljazokad wieder. »Diesmal ziehe ich.«
    Â»Die vierte Karte. Eure Zukunft.«
    Eljazokad schloß die Augen und zog blind. Unsichtbare Zukunft.
Rückwärts gegangen statt vorwärts, mit einem verrutschten Papiergesicht vor den
Augen. Die Karte zeigte das Gesicht einer Greisin, umgeben und umwickelt von
Zierrat, Federkielen und magischen Symbolen.
    Â»Heh, das ist doch die Gezeitenfrau!« Bestar deutete auf die Karte.
    Â»Das glaube ich nicht«, wagte Eljazokad zu bezweifeln.
    Â»Schlüssel zwei. Dies ist die Hohepriesterin«, beschrieb die Alte.
»Sie steht auch für den Mond. Die Stille tiefen Wassers. Sie weiß, was Geburt
bedeutet, und kann ihre Energien nach innen lenken. Sie verteidigt, sie weiß um
ihre Macht, und hat es nicht nötig, in Feuer auszubrechen. Und dennoch lodert
sie und gibt ihr Wissen weiter.«
    Â»Die Stille von Wasser. Also doch die Gezeitenfrau«, blieb Bestar
unbeirrt.
    Eljazokad schüttelte den Kopf. »Weißt du, wer das ist?«
    Â»Wenn es nicht die Gezeitenfrau ist, dann ist es unsere Frau
Kartenlegerin.«
    Â»Nein. Das ist Naenn.«
    Â»Naenn? Du spinnst doch! Die ist doch jung und knusprig!«
    Â»Aber das ist die Zukunft. Rodraeg hat einmal so etwas angedeutet:
Aus Naenn wird eines Tages etwas sehr Bedeutendes werden. Hohepriesterin.
Königin vielleicht, auf die uns bekannte Art oder eine andere, noch nie
dagewesene.«
    Bestar stand der Mund offen. »Wenn sie so alt wird, erleben wir das
gar nicht mehr.«
    Â»Du bist doch kaum älter als sie!«
    Â»Aber klippenwälder Krieger werden nicht alt. Das wäre doch auch
peinlich, wenn man zu klapperig ist, das Schwert zu halten.«
    Â»Aber Riesen werden alt.«
    Â»Ich bin kein Riese, Eljaz. Ich bin nur ein Mensch mit einem
besonders schweren Schwert.«
    Eljazokad hielt besser den Mund. Irgend etwas an den Karten hatte
den Klippenwälder ermüdet. Erinnerungen an Migal und Hellas. Den liegenden
Rodraeg. All das vergossene Blut und die weit entfernte, unklare Zukunft.
    Â»Jetzt die letzte Karte, bitte«, wies der Magier die Kartenlegerin
an.
    Â»Ja. Nun kommt die Karte, wegen der wir dieses Spiel spielen. Ihr
Wert ergibt sich aus den anderen Karten, die ihr bisher gezogen habt. Die Vier
der Schwerter ist eine Vier, das As der Stäbe eine Eins, die Fünf der Kelche
eine Fünf und die Hohepriesterin hat die Zahl zwei. Vier und eins und fünf und
zwei ergibt zwölf. Eure Schicksalskarte ist diese hier: Schlüssel zwölf.«
    Die Kartenlegerin zog, als hätte sie die ganze Zeit von ihrer
Position gewußt, eine ganz bestimmte Karte aus dem gemischten Spiel. Die Karte
trug die Nummer zwölf und zeigte einen Mann, der an einen Baum geknüpft war,
und zwar mit dem Kopf nach unten. Der Kopf schien in Flammen zu stehen. Der
Boden, über dem der Mann hing, war mit einer Karte des Kontinents bedeckt.
    Â»Der hängende Mann«, wisperte Eljazokad. »Forker Munsen.«
    Â»Fork hing nicht an einem Bein, sondern am Hals«, bemerkte Tjarka
nüchtern.
    Â»Die Karte heißt tatsächlich Der Gehängte «,
erläuterte die Kartenlegerin. »Aber sie steht nicht für Tod oder Selbstmord
oder dergleichen. Der Mann lebt. Sein Kopf leuchtet sogar, strahlt mit der
Kraft neuer Energie und Gedanken. Der Schlüssel zwölf zeigt einen Menschen, der
die Welt aus einer neuen, ungewohnten Perspektive betrachtet und dabei
Einsichten gewinnt.«
    Â»Der Vogelblick «, flüsterte Eljazokad
erneut. Die Karte paßte so gut zum bisherigen Geschehen im Thost, daß
Eljazokads Argwohn geweckt wurde. Hatte die Kartenlegerin diese Karte
absichtlich ausgesucht? Aber wie war das möglich, wo doch Bestar, Tjarka und er
die vorhergehenden vier Karten gezogen hatten?
    Â»Diese Karte steht auch für Unabhängigkeit«, setzte die alte Frau
ihre Erklärung fort. »Für jemanden, der seinen eigenen Überzeugungen folgt und
dabei in Kauf nimmt, sich selbst ungewöhnlichen Prüfungen zu unterziehen. Am
Ende wird er durch ein Wissen belohnt werden, daß auf herkömmlichem Wege nicht
zu erlangen war.«
    Das könnte erneut für Rodraeg stehen ,
dachte Eljazokad. Das kann aber auch für uns alle

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