Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)
nicht beenden, denn die Tür flog auf, und eine Hotelangestellte hastete mit einem leeren Servierwagen aus Edelstahl an ihnen vorbei.
»Das ist das letzte Mal, dass ich Ihnen etwas aufs Zimmer bringe!«, rief sie über die Schulter und drückte heftig auf den Knopf, um den Lift anzufordern. »In Zukunft können Sie sich Ihr Essen selbst holen!«
Avi und Hannah schlüpften in die Wohnung, bevor die Tür zufiel. Die Einrichtung war noch prunkvoller, als Avi sie im Gedächtnis hatte. In allen Ecken standen exotische Statuen, und riesige Gemälde zierten die Wände.
Sie trafen Roosevelt im Esszimmer an. Er saß, inmitten von silbernen Platten, auf denen sich Aufschnitt und Sandwiches türmten, eingezwängt in seinem Rollstuhl und beschäftigte sich damit, eine Sahnetorte nach der anderen an die Wand zu werfen. Durin stand an der Balkontür und klopfte mit den Fingern an die Scheibe. Er trug einen formlosen Morgenmantel aus Flanell, der seine weiblichen Körperformen ausgezeichnet tarnte. Avi fragte sich, ob er mit seinem derzeitigen Geschlecht möglicherweise nicht zufrieden war.
»Das Mädchen hat den Hummer vergessen«, verkündete Roosevelt und schleuderte eine Torte in den Kamin.
»Ich stelle fest, dass du reizend bist wie immer«, sagte Hannah. »Wie viel Personal verschleißt du denn so pro Woche?«
Roosevelt bückte sich nach der nächsten Torte, schrie aber vor Schmerz auf und hielt sich den Fuß.
»Du hast ja keine Ahnung von den Qualen, mein Kind«, knurrte er, »die mit der Krankheit der Könige einhergehen.«
»Er will damit ausdrücken, dass seine Gicht ihm Unbehagen bereitet«, erklärte Durin.
»Por-pout-pop«, rief eine gedämpfte Stimme aus Hannahs Rucksack.
Mit verdatterter Miene wich Durin von der Balkontür zurück. Selbst Roosevelt vergaß seine Gicht und blickte mit offenem Mund auf, so dass sein Kinn in zahlreichen Fettwülsten versank.
»Was um alles in der Welt war das?«, rief er. »Haustiere sind hier streng verboten.«
Erstaunt sahen die beiden Wächter zu, wie Hannah den Rucksack abnahm und ihn öffnete. Pennie sprang heraus, worauf ihre Farbe vom Marineblau des Rucksacks zum üppigen Rot des Teppichs wechselte. Zu guter Letzt wurde sie silbern wie die Platte, die ihr Ziel war. Mit einem zufriedenen Schnalzen vergrub sie den Schnabel in der letzten verbliebenen Torte und begann, die Sahne zu schlürfen. Dabei hatte ihr Tarnmechanismus sichtlich Mühe, die stark spiegelnde Oberfläche der Platte nachzubilden, so dass sie sich schließlich für einen schimmernden Grauton entschied.
»Ich möchte, dass ihr uns jetzt gut zuhört«, begann Hannah und nahm eine Erdbeere von einer der Platten.
Roosevelt verzog finster das Gesicht und holte tief Luft, aber Durin ergriff das Wort, ehe er etwas einwenden konnte.
»Wir haben dich erwartet, Avi. Nach unserer Begegnung am Zoo war es nur eine Frage der Zeit.«
»Ja«, erwiderte Avi. »Ich kehre zurück, ganz egal wie oder was ich dafür tun muss.«
Durin nickte. »Ich sehe, du bist fest entschlossen. Aber bloße Willenskraft reicht nicht immer. Die Brücke im Observatorium in Greenwich wird noch repariert. Und du erinnerst dich ja sicher, wie schwierig es war, im Globe Theatre den richtigen Zeitpunkt zu finden.«
»Dann eben Stonehenge«, entgegnete Avi, der unterwegs angestrengt über dieses Thema nachgedacht hatte. »Das haben wir doch schon einmal geschafft.«
Roosevelt murmelte etwas.
»Was hast du gesagt?«, wollte Avi wissen.
»Dass Kellen im Stonehenge des Feenreichs Wachen postiert hat. Ein ganzes Bataillon der Garde des weißen Turms patrouilliert das Gelände rund um die Uhr. Ich fürchte, er ist dir einen Schritt voraus, Avi.«
Avi wurde von Verzweiflung ergriffen. »Es muss einfach eine Möglichkeit geben!«
Durin sah Roosevelt an, der rasch den Blick abwandte.
»Was ist los?«, fragte Avi. »Anscheinend verheimlicht ihr mir etwas. Bitte seid offen zu mir.«
Mit einem Seufzer ließ Durin sich an dem großen Esstisch nieder. »Ja, das könnte ein Weg sein.«
»Wir sind ganz Ohr«, meinte Avi.
»Wie du weißt«, begann Durin, »sind die Welten so nah zusammengerückt wie schon seit Jahrhunderten nicht mehr, und zwar wegen … nun, nennen wir es einmal jüngste Ereignisse . Das Pennapor ist ein Beweis dafür.«
Pennie nahm den Kopf aus der Torte, die prompt in sich zusammensackte. »Por-zuzu-me-pop?«, krächzte sie, dass ihr die Sahne aus dem Schnabel sprühte.
»Möglicherweise ist dir aufgefallen«, fuhr Durin fort,
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