Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)
selbst nicht darauf spekuliert, Generalsekretär der Bundespartei zu werden. Sicher war ich von der Aufgabe fasziniert, zu der ja auch die Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms zählen sollte. Aber ich habe mich trotz einiger Spekulationen in den Medien nicht zum Kreis der Kandidaten gerechnet. Mit mir hatte nämlich niemand gesprochen. Erst am Abend vor der Bundesvorstandssitzung, in der Guido Westerwelle den Vorschlag unterbreiten wollte, rief er bei mir an: »Traust du dir das zu? Weißt du, was auf dich zukommt? Und liegt etwas gegen dich vor?« Ich habe zweimal bejaht und einmal verneint – und dann war das Telefonat auch schon so gut wie beendet.
GENSCHER
Manche Dinge kann man nicht lange vorbereiten, aber dafür schnell entscheiden, wenn die Sache reif ist. Das kenne ich …
LINDNER
Meine Antwort war zumindest in einer Hinsicht naiv: Ich wusste nicht, was auf mich zukommen würde. Die Konstellation und damit der Charakter des Amtes waren völlig anders als in Nordrhein-Westfalen. In Düsseldorf war ich eng eingebunden zunächst in die Koalitionsverhandlungen und dann später in das Tagesgeschäft, weil ich einen unmittelbaren Zugang zum Landesvorsitzenden Andreas Pinkwart und zum Fraktionsvorsitzenden Gerhard Papke hatte. In Berlin waren die Koalitionsverhandlungen dagegen längst abgeschlossen, Weichen gestellt, und die Entscheidungen im Tagesgeschäft wurden andernorts getroffen. Ich habe mich zeitweise mehr als Parteisprecher denn als Generalsekretär gefühlt, meine Möglichkeiten der Einflussnahme jedenfalls schienen mir in jeder Hinsicht beschnitten.
Leider hat sich auch nicht eine so enge Zusammenarbeit mit dem Parteivorsitzenden Guido Westerwelle ergeben. Von manchen Vorstößen – wie einem berüchtigten Beitrag mit der Formel »spätrömische Dekadenz« – habe ich morgens aus der Zeitung erfahren. Zu einem wirklichen persönlichen Austausch kam es erst, als er schon nicht mehr Parteivorsitzender und ich nicht mehr Generalsekretär war. Ich habe das bedauert. Aber das schmälert nicht seine Leistung an der Spitze der FDP . 17 Jahre Generalsekretär und Bundesvorsitzender mit Höhen und Tiefen – das ist eine Strecke! Insbesondere vor seinen Fähigkeiten als Debattenredner und als Wahlkämpfer habe ich unverändert großen Respekt.
GENSCHER
Ja, und mittlerweile hat Guido Westerwelle auch in seinem neuen Amt als Bundesaußenminister Tritt gefasst und mehr als das.
LINDNER
Zweifellos. Dennoch war es richtig, dass es im Mai 2011 zu einem Wechsel in der Parteiführung gekommen ist. Man musste Guido Westerwelle dazu im übrigen nicht drängen, wie oft unterstellt oder kolportiert wird. Ich weiß, dass er ohnehin geplant hatte, sich wie Sie ab einem bestimmten Zeitpunkt auf sein Staatsamt zu konzentrieren. Bereits 2010 hat er davon gesprochen, schon in die Bundestagswahl 2013 mit einem Team zu gehen. Er hatte dann aber wie andere erkannt, dass es während der ersten Monate der Regierungsarbeit zu einem erheblichen Kompetenz- und Vertrauensverlust für die FDP gekommen war. Eine schnellere personelle Neuaufstellung erlaubt dann eine Justierung der politischen Ziele, eine Änderung des Stils und damit – so hofften viele, ich auch – eine neue Bewertung der FDP . Man schafft einen Anlass, damit die Menschen sich ein neues Bild machen können – Guido Westerwelle selbst hat den Weg dazu freigemacht.
GENSCHER
Wie war dann Ihr Verhältnis zum neuen Parteivorsitzenden Philipp Rösler? Sie gehören einer Generation an und waren – wenn ich es richtig sehe – befreundet?
LINDNER
Ich kannte Philipp Rösler schon länger aus dem Bundesvorstand, wir haben einmal gemeinsam ein Buch herausgegeben. Nachdem wir 2009 beide nach Berlin gegangen sind – er kam ja wie ich aus der Landespolitik –, wurde unser Kontakt enger. Es war völlig klar, dass er mit seiner Regierungserfahrung und als Lebensälterer die Nachfolge von Guido Westerwelle antreten sollte. Gemeinsam mit Daniel Bahr, der dann ins Bundeskabinett eingetreten ist, wurden wir zu einer »Boygroup« erklärt. Ein Etikett, das genauso schädlich – die FDP ist nicht das Projekt
einer
Generation – wie falsch war. Denn Rainer Brüderle hatte von Beginn an als Fraktionschef eine starke Stellung. Vielleicht hätte man seine Wirtschaftskompetenz noch besser nutzen sollen – das ist aber vergossene Milch.
Die Zusammenarbeit hat sich in den Monaten nach der Neuwahl der Führung jedenfalls anders entwickelt, als ich erhofft
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