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Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Titel: Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Lindner , Hans-Dietrich Genscher
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Marktwirtschaft.
    LINDNER
    Ja, ich würde es so sagen: Der deutsche Wohlfahrtsstaat ist noch weitgehend konservativ organisiert. Sein Ziel ist Statussicherung. Die Besitzer eines Arbeitsplatzes haben gesicherte Rechte – das sind die Insider. Deren Rechte sind zugleich die Hürden für die Outsider und Einsteiger. Ich glaube, dass wir lernen können von skandinavischen Ländern wie Dänemark, wenngleich man nicht alles von einem Land mit 5  Millionen Einwohnern auf unsere Verhältnisse übertragen kann. Dort spricht man von Flexicurity – der Verbindung von Flexibility und Security, also Flexibilität und Sicherheit. Darunter wird dort aber nicht die Sicherung eines einmal erreichten Status zum Beispiel durch einen starren Kündigungsschutz verstanden, sondern die intensive Begleitung bei der Neuorientierung durch eine vergleichsweise hohe materielle Unterstützung und aktive Vermittlung, Qualifikation und anderes.
    GENSCHER
    Der Blick über den nationalen Tellerrand zeigt uns gute und schlechte Beispiele, mit dem Wandel umzugehen. Solche Debatten sind notwendig. Ich rate allerdings dazu, sie mit großer Sensibilität zu führen. Hier berührt man Ängste vor sozialem Abstieg – ich kann das gut verstehen. Und es kann zu leicht der Eindruck erweckt werden, die menschliche Arbeitskraft sei eine Ware wie jede andere. Wir sind uns einig: Das ist sie nicht.
    LINDNER
    Ja, das Wort »Reform« verbindet eine große Zahl der Deutschen nicht mehr mit einer Verbesserung, sondern mit der Erwartung, dass ihnen etwas genommen werden soll.
    GENSCHER
    Ganz anders als etwa zu Beginn der siebziger Jahre, als mit dem Wort »Bildungsreform« ein gesellschaftlicher Aufbruch verbunden war! Der Bedeutungswandel hat unzweifelhaft etwas mit der Diskussion um die Hartz-Gesetze zu tun.
    LINDNER
    Dabei verdankt sich die gegenwärtige Stärke Deutschlands zu einem guten Teil der Agenda-Politik von Gerhard Schröder. Weil man es uns Liberalen nicht unbedingt zutraut, will ich ergänzen: Die kluge Tarifpolitik von Gewerkschaften und Arbeitgebern hatte ebenfalls einen wichtigen Anteil. Viele Forderungen nach Flexibilität, denen der Gesetzgeber aufgrund ideologischer Auseinandersetzungen nicht folgen konnte, haben die Gewerkschaften zudem vor Ort pragmatisch durch betriebliche »Bündnisse für Arbeit« ermöglicht. Ich stelle in bestimmten Fragen auch heute eine große Übereinstimmung mit Gewerkschaftern fest. Ich hatte beispielsweise den Chef der IG BCE , Michael Vassiliadis, zu Gast in meiner Landtagsfraktion. Seine Mitglieder seien von der Energiewende als – wie er sagte – »taxpayer«, als Stromkunden und als Inhaber nun unsicher gewordener Arbeitsplätze dreifach betroffen. Deshalb brauche man neue »Tools« in der Energiepolitik, worunter er mehr Wettbewerb und weniger Subventionen verstanden hat. Ein ganz fortschrittlicher Mann, der meine Kolleginnen und Kollegen beeindruckt hat. Hoffentlich schadet Herrn Vassiliadis dieses Lob aus der FDP nicht …
    GENSCHER
    Gut, dass Sie die Rolle der Gewerkschaften differenziert darstellen. In der Vergangenheit hat es aus den Reihen der FDP auch undifferenzierte Stellungnahmen gegeben. Wir wollen nicht vergessen, dass die Tarifpartner der Sozialen Marktwirtschaft Deutschland einen Betriebsfrieden gesichert haben, der international ein großer Standortvorteil unseres Landes ist. Die langwierigen Arbeitskämpfe Frankreichs und Großbritanniens sind uns erspart geblieben.
    LINDNER
    Zur Vollständigkeit des Lagebildes gehört, dass man die klassenkämpferischen Parolen der Dienstleistungsgesellschaft ver.di nicht unterschlagen darf. Nach meinem Dafürhalten muss es organisationspolitische Gründe für dieses Auftreten geben. IG Metall und IG BCE arbeiten eher konstruktiv an wirtschaftlichen Notwendigkeiten, ver.di muss anscheinend Mitglieder über teils schrille Kampagnen werben.
    GENSCHER
    Die »Agenda 2010 « hat den Arbeitsmarkt jedenfalls insgesamt beweglicher gemacht. Mit positiver Wirkung, wie der Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit und die Rekordzahl bei den Beschäftigten heute zeigt. Wesentliche Elemente der »Agenda 2010 « waren übrigens bereits im seinerzeitigen Lambsdorff-Papier enthalten, zum Beispiel die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Da sieht man, wie lange manchmal eine richtige Idee in der Politik bis zur Durchsetzung benötigt.
    LINDNER
    Die Millionen Menschen, die jetzt wieder einen Arbeitsplatz haben, würden bestreiten, dass das seinerzeit

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