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Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Titel: Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Lindner , Hans-Dietrich Genscher
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werden. Die Befürworterinnen und Befürworter eines Mindestlohns, von der CDU -Ministerpräsidentin von Thüringen bis zu Hannelore Kraft, haben nicht ein einziges Mal einen Antrag gestellt, konkrete soziale Verwerfungen zu beantworten. Was soll man davon halten?
    Für mich gilt also: Ja, die Notwendigkeit tariflicher Lohnuntergrenzen – das Attribut und der Plural sind wichtig – muss man prüfen, wenn die Tarifbindung in bestimmten Branchen und Regionen zurückgeht. Ich bin aber in jedem Fall gegen den einheitlichen politischen Mindestlohn. Über solche Fragen sollten weiter Vertreter der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und unabhängige Wissenschaftler beraten – und zwar jeweils regional und für eine Branche. Überdies muss es für Schwächere am Arbeitsmarkt Öffnungen geben – die Niederlande haben als einziges Land mit Mindestlohn kein Problem mit der Jugendarbeitslosigkeit, weil jüngere Arbeitnehmer vom Mindestlohn ausgenommen werden, da sie wegen ihrer geringeren Erfahrung auch weniger produktiv sind.

Den sozialen Frieden pflegen? Den Mittelstand schützen?
    GENSCHER
    Für mich hat diese Debatte um den Arbeitsmarkt auch eine übergeordnete Bedeutung. Beklagt wird ja, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Deutschland auseinanderstreben. Wie weit das zutrifft, ist gegenwärtig in der Diskussion. Deshalb muss man sich mit besonderer Aufmerksamkeit um jene bemühen, die von der Entwicklung abgehängt werden könnten. Im Vergleich zu anderen Staaten haben wir eine Mittelschicht, die ich mir noch breiter wünsche. Ludwig Erhards Ziel war nicht »Wohlstand für einige«, sondern »Wohlstand für alle«. Das hat in unserem Land zu politischer Stabilität geführt. Die Spannungen, die es etwa in Brasilien zwischen Reichen in abgeschotteten Wohnvierteln und den Armen in elenden Siedlungen vor der Stadt gibt, sind Deutschland erspart geblieben. Diesen sozialen Frieden müssen wir pflegen.
    LINDNER
    Diesen Gesellschaften fehlt ihr Zentrum. Hierzulande gibt es soziale Unterschiede, aber im Prinzip – wenn ich jetzt von wenigen Bitterarmen und Superreichen absehe – teilt die deutlich überwiegende Mehrheit eine vergleichbare Lebenssituation. Nach meinem Eindruck verfangen deshalb die teilweise klassenkämpferisch vorgetragenen Forderungen nach mehr Umverteilung für mehr Gleichheit nicht. Die Menschen akzeptieren gewisse soziale Unterschiede, wenn die Vermögenden sich verantwortlich verhalten – und vor allem, wenn es für alle wirklich realisierbare Aufstiegschancen gibt. Die katholischen Bischöfe haben dazu 2011 in einem Sozialwort einen außerordentlich interessanten Satz notiert: »Mit Freiheit ist notwendigerweise ein gewisses Maß an Ungleichheit verbunden, die sich schon aus der Einmaligkeit der Person ergibt.«
    Das ist der fundamentale Unterschied zwischen der Forderung nach Gleichheit oder der nach Leistungsgerechtigkeit. Das Versprechen, dass das eigene Engagement und der eigene Fleiß einen Unterschied machen – darauf kommt es an. Die Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft wollten ausdrücklich kein »Pumpwerk der Einkommen«, wie Wilhelm Röpke gesagt hat, sondern die Möglichkeiten schaffen, dass jeder aus eigener Kraft etwas erreichen kann. Es kann nicht so bleiben, dass dieses große Aufstiegsversprechen heute für viele nur noch theoretisch und hohl klingt.
    GENSCHER
    Was tun?
    LINDNER
    Wir haben über einiges schon gesprochen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen erstens sichere Arbeitsplätze ermöglichen. Deshalb darf vor allem der Mittelstand nicht durch die überzogene, von Frankreich inspirierte Finanzpolitik geschwächt werden. Dort ist das Gros der Arbeits- und Ausbildungsplätze. Ich bin deshalb ganz dezidiert gegen steuerpolitische Vorhaben, die die Substanz von Unternehmen beschneiden. Darauf laufen die Pläne von Rot-Grün aber hinaus, wenn ein Betrieb auch in Verlustphasen erhebliche Steuerzahlungen zu leisten hat. Was bringen da zunächst Millionen Euro mehr in der Staatskasse, wenn dafür irgendwann wieder Millionen Menschen auf der Straße stehen könnten – und die Steuereinnahmen ausbleiben? Bei diesen Vorschlägen wird sehr mechanisch und nicht in Wechselwirkungen gedacht. Kurz gesagt: Die Kuh, die man melken möchte, darf man nicht schlachten.
    Zweitens müssen wir durch geeignete Regeln das Fundament unserer Gesellschaft festigen, damit auch Schwächere Chancen haben. Wo es also soziale Verwerfungen gibt, wo Starke die Schwächeren

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