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Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Titel: Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Lindner , Hans-Dietrich Genscher
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immer gesagt, wenn diese Bindung weg ist, dann kommt die große Zeit der FDP . Jetzt ist diese Bindung weg, aber unsere große Zeit ist trotzdem nicht angebrochen. Herr Lindner, Ihnen sage ich, noch nicht. Das ist der Auftrag an Sie und an die ganze junge Generation.
    LINDNER
    Interessant ist doch, dass die Parteien in unserem politischen System unverändert eine dominante Rolle spielen, aber sie monopolisieren nicht mehr die Debatten. Da gibt es viele andere Akteure. Parteien sind zudem nicht mehr so stark in die Gesellschaft eingebettet, weil bei allen die Mitgliedschaft zurückgeht und weil es weniger formale Bindungen an einzelne gesellschaftliche Bereiche gibt. Die Kirche ist keine exklusive Domäne der Union mehr, die grüne Partei ist beispielsweise nah an die evangelische Kirche herangerückt. Und die Gewerkschaften sind keine exklusive Domäne der SPD mehr, spätestens seit der Agenda 2010 . Das heißt also, Parteien integrieren nicht mehr große Bevölkerungsgruppen. Es gibt Tendenzen in Richtung einer Amerikanisierung. Die Ansprache der Wechselwähler entscheidet Wahlen. Dort sind Parteien professionelle Wahlkampforganisationen, die zur Kampagne aufwachen, sonst aber nur wenig Aktivität entfalten. In Deutschland wird in diesem Zusammenhang über Schnupper- oder Projektmitgliedschaften nachgedacht. Das verändert den Charakter der Organisation Partei.
    GENSCHER
    Da hilft uns natürlich, wenn Parteipolitik nicht zu theoretisch werden soll, der Föderalismus. Drei Wahlen haben wir – die Kommunalwahlen, die Landtagswahlen und die Bundestagswahlen. Dreimal also müssen sich die Parteien dem Wähler stellen. Das mobilisiert und es verstärkt die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger.
    LINDNER
    Ich bin nach wie vor ein Anhänger der Idee der Mitgliederpartei, weil man nur so die Verbindung in die Gesellschaft behält. Als Berufspolitiker kann ich nicht jeden Aspekt des sozialen Lebens wahrnehmen. Aber die Rückkopplung an die eigene Parteibasis, an die, die vor Ort in der Kommune ehrenamtlich arbeiten, die einem Beruf außerhalb der Politik und außerhalb des Staates nachgehen – das ist unverzichtbar und wird möglicherweise noch wichtiger. Das kann und darf auch nicht durch Meinungsforschung ersetzt werden.
    Fraglich ist nur, wie man diese Idee wieder attraktiv macht. Neben dem Bekenntnis hatte man als Parteimitglied früher ja einen gewissen Informationsvorsprung – das ist heute nicht mehr so. Aber die Möglichkeit der Einflussnahme als Parteimitglied ist geblieben – und die sollten wir stärken, indem wir die Basis noch mehr einbeziehen. Die jüngste Urwahl der Spitzenkandidaten der Grünen oder der Mitgliederentscheid der FDP zur Europapolitik sind ja Beispiele, dass man Menschen damit mobilisieren kann. Das macht eine Partei spannend. In Personalfragen macht die FDP davon übrigens zu wenig Gebrauch, gerade im Vergleich zu den Mitgliederentscheiden in Sachfragen, wo wir aktiver sind als andere. Die neuen Medien erlauben zudem, auch unterhalb dieser Schwelle Parteimitglieder und die Bürger insgesamt stärker in die Meinungsbildung und Diskussion einzubeziehen – wenn sie denn wollen. Wir haben heute also ein anderes Repertoire an Instrumenten als zu Ihrer Zeit.

Direkte Demokratie
    GENSCHER
    Lassen Sie uns von der parteiinternen Beteiligung von Mitgliedern der Basis einen Schritt weiter zu Volksbefragungen, Volksbegehren und Volksabstimmungen kommen. Wie denken Sie darüber?
    LINDNER
    Da können wir den Bürgerinnen und Bürgern mehr zutrauen. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes waren hier sehr zurückhaltend. Ich glaube allerdings nicht daran, dass man unser politisches System in Richtung Schweiz umbauen könnte oder müsste. Ein Wundermittel ist direkte Demokratie in meinen Augen ebenfalls nicht: Weder stärkt sie den einzelnen Bürger noch die differenzierte Entscheidung, wie sie im Parlament ausgehandelt werden kann. In alternden Gesellschaften könnte die Gefahr wachsen, dass Gegenwartsinteressen dominieren, wo Entscheidungen nachfolgende Generationen berühren. Direkte Demokratie ist für mich also nicht Ersatz für die repräsentative Demokratie, sondern nur – oder immerhin – eine sinnvolle Ergänzung unserer Parteiendemokratie. Und zwar als Korrektiv der Entscheidungen, die im Parlament von Volksvertretern getroffen werden, wenn strittige Themen Aufklärung und demokratische Klarheit brauchen.
    GENSCHER
    Mein Gefühl ist, dass die Wucht, mit der neue Formen der

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