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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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eines seiner Tiere fehlte, machte er sich auf die Suche, und er stieg durch die zerklüfteten Felsen des Hügellandes. Bald versperrte ein reißender Gebirgsbach seinen Weg, und aus dem Wasser sprach eine Stimme zu ihm.
    ›Weiche zurück‹, sagte die Stimme, ›denn ich bin Ul’ur, der Geist des Wassers. Du kannst nicht vorbei.‹
    Der Hirte war jedoch mutig und beherzt, und er sprang über den Bach hinweg und setzte seinen Weg fort. Als der junge Mann weiterging, erhob sich ein heftiger Wind, und aus dem Tosen des Sturms sprach abermals die Stimme.
    ›Weiche zurück, denn ich bin Ul’ur, der Geist der Luft. Du kannst nicht vorbei.‹
    Auch die neuerliche Drohung schreckte den Hirten nicht, und er setzte seinen Weg fort. Da wurde der Wind kälter und trug Eis und Schnee mit sich.
    ›Weiche zurück‹, sprach nun die Stimme, ›denn ich bin Ul’ur, der Geist des Eises. Du kannst nicht vorbei.‹
    Der Hirte fröstelte in dem kalten Wind, aber sein mutiges Herz kannte keine Kälte und keine Furcht. Er ging weiter, und endlich erreichte er den Gipfel des Berges. Ein seltsamer Steinblock stand dort, wie ein Altar, durchzogen von glitzernden Adern. Und auf dem Stein lag die kleine Echse, die der Hirte suchte, eingehüllt in eine helle Flamme.
    ›Weiche zurück‹, sagte da die Stimme, ›denn wir sind Ul’ur, der Geist des Steins und des Feuers. Dieses Tier gehört uns. Du kannst es nicht mehr erretten.‹
    ›Nein!‹, rief da der Hirte. ›Dieses Tier steht unter meinem Schutz, so wie mein Leben in der Hand Firions liegt.‹
    Und als der Hirte den Namen des Schöpfers aussprach, da verschwanden der Stein und das Feuer, und die kleine Echse lief in die Arme des Hirten. Schnell trug er sie zurück in die Geborgenheit seiner Herde.«
    Mit einem Lächeln blickte Tirandor in die Runde seiner Gefährten, doch gleich darauf wurde sein Gesicht wieder ernst.
    »Ich weiß nicht, wie viel Wahres in dieser Geschichte verborgen liegt, denn auf all meinen Reisen habe ich nie eine Spur von Ul’ur gesehen. Hier im Licht des Tages mag diese Geschichte wie ein harmloses Märchen für Kinder wirken. Wenn Ihr sie aus dem Mund eines Menschen des Südens gehört hättet, inmitten zuckender Blitze und immer wieder unterbrochen von ohrenbetäubendem Donner, so würdet Ihr vielleicht anders denken. Und auch wenn in der Geschichte alleine der Glaube an Firion genügt, um Ul’ur abzuwenden, so fürchten die Nomaden ihn dennoch, und mancherorts werden ihm sogar Opfer dargebracht, um seinen Zorn abzuwenden.
    Warum er die Menschen hasst, ist nicht überliefert, doch manche meinen, dass er beseelt ist von Thaur-Angoths Macht. Einige sagen gar, dass er der Sohn des Dunklen Gottes sei. Noch ist seine Macht beschränkt, es mag aber sein, dass sie anwächst, wenn die Menschen ihm tatsächlich Opfer bringen. Und eines Tages, wenn er sich stark genug fühlt, wird er wieder hervortreten, um das Öde Land heimzusuchen. Von dort aus wird er sich anschicken, den gesamten Südkontinent zu beherrschen, wo Firion einst die Menschen erschuf. Und dies soll Thaur-Angoths Rache an Firion und seinen Kindern sein.«
    »Das ist wahrlich eine Geschichte, die man besser im Licht des Tages erzählt«, sagte Herubald. »Und ich danke Euch dafür. Nun sollten wir den Rest des Tageslichts nutzen, um unseren Weg fortzusetzen und ein geeignetes Lager für die Nacht zu finden.«
    Erregt und ein wenig ängstlich zugleich vernahm Tan-Thalion, dass sie die zweifelhafte Sicherheit der Mulde nun wieder verlassen würden. Er schloss seine Tasche und befestigte sie an dem Gürtel, den er über seinem Mantel trug. Wenig später saßen alle Reisenden wieder auf ihren Echsen, und sie trotteten den schmalen Pfad entlang, der sie stetig weiter nach Westen führte. Als der Weg einige Zeit später breiter wurde, nutzte der Zauberer die Gelegenheit, um seine Echse neben die des Sängers zu lenken. Jandaldon ritt auf Seregons Reittier, denn es würden viele Tage vergehen, bis der verwundete Ritter wieder in der Lage sein würde, eine Craith-Echse zu besteigen. Tan-Thalion hatte den Eindruck, dass der Sänger heute sehr verschlossen wirkte. Zwar hatte sich Jandaldon in der Gruppe nie besonders redselig gezeigt, für ein kurzes Lied oder eine gesummte Melodie war er aber immer gut gewesen.
    »Ihr seid sehr schweigsam heute, Jandaldon«, sagte der Zauberer. »Bedrückt Euch etwas?«
    »Nein, es geht mir gut.« Jandaldon schenkte Tan-Thalion nur einen kurzen Blick.
    »Wie kommt es, dass

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