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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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Licht. Carilon betrachtete mit einem Stirnrunzeln die Reihe der Wappenschilde, die links und rechts des Kamins hingen. Bei seinem letzten Besuch hatte es diesen Wandschmuck noch nicht gegeben, doch er kannte seine Bedeutung – es waren die Wappen der Fürstentümer, die Calidor als ihren König anerkannt hatten. In der Mitte des Raumes hing ein großes Banner von der Decke herunter, zweigeteilt in den Farben Rot und Weiß. Es war ein helles, leuchtendes Rot – die Farbe, die Gweriel für sich gewählt hatte, als er vor langer Zeit die Herrschaft über diese Stadt übernommen hatte. Auf dem eilig gedeckten Tisch fanden sich Brot, kalter Braten, Früchte und ein Krug mit Wein. Calidor saß allein am Kopfende der Tafel. Die Bediensteten hatte er weggeschickt, um sich ungestört mit seinen Gästen unterhalten zu können. Carilon und Seregon nahmen auf hochlehnigen Stühlen zu beiden Seiten des Königs Platz und griffen zu den Weinbechern.
    »Auf den König!«, riefen beide und hoben grüßend ihre Trinkgefäße. Calidor erwiderte den Gruß mit einem freudlosen Lächeln.
    »Lasst uns lieber auf eure glückliche Ankunft trinken. Ich habe dich vermisst, Carilon. Ich hatte schwere Entscheidungen zu treffen, bei denen ich dich gerne an meiner Seite gehabt hätte.«
    »Ich nehme an, eine dieser Entscheidungen hat damit zu tun, dass du dich jetzt König nennst.«
    »Ja – und du kannst dir denken, dass dies weder meine Idee noch mein Wunsch war. Die anderen Fürsten waren sich einig, dass sie Gweregon nicht länger folgen wollen. Da sie aber auch nicht zu weit von ihrem einstigen Treueschwur abweichen wollten, haben sie mir die Königswürde angetragen. Damit bleiben sie wenigstens dem Hause Gwengol treu. Wenn ich nicht akzeptiert hätte, wäre es wahrscheinlich zum Streit unter den Fürsten gekommen, und sie hätten sich gegenseitig die Köpfe eingeschlagen.«
    »Das sieht dir wieder einmal ähnlich«, sagte Carilon. »Du steckst deinen eigenen Kopf in die Schlinge, nur damit die Fürsten des Westens sich nicht zerfleischen. Wie denkt denn Edina über deinen Entschluss, König zu spielen?«
    »Sie war nicht sonderlich glücklich darüber, dass sie nun eine Königin ist. Natürlich macht sie sich Sorgen, dass Gweregon einen Krieg beginnen könnte – dieselben Sorgen, die auch mich plagen, seit die Fürsten ihre Schilde in meiner Halle hinterlassen haben und mir ihren Eid leisteten.«
    »Glaubst du denn, deine neuen Gefolgsleute werden dir auch treu bleiben, wenn Gweregon sich wirklich zu einem Feldzug entschließt?«, erwiderte Carilon.
    »Das habe ich mich natürlich auch gefragt.« Der junge König nickte bedächtig. »Auf Beranion und Navaris kann ich mich jederzeit verlassen, und die anderen werden mir zumindest nicht in den Rücken fallen. Ein Angriff über den Seeweg würde zuerst Navaris treffen, dessen Kapitäne das südliche Meer wie ihren Hinterhof kennen – und sie haben die besseren Schiffe. Es wäre ein hohes Wagnis für den König.
    Noch gefährlicher wäre allerdings der Landweg. Wenn Gweregon es tatsächlich wagen würde, seine Truppen durchs Drachenland zu senden, dann kann nur Car-Osidia das Ziel des Angriffs sein. Doch ich denke, dass selbst unser Onkel nicht verrückt genug ist, sich auf ein solches Wagnis einzulassen. Ich habe mich nur deshalb zum König ausrufen lassen, weil ich sicher war, dass dadurch das Risiko eines Krieges sinken würde. Ein Krieg wäre schlimmer als alles, was Gweregons wirre Regentschaft hier anrichten könnte. Aber seine Forderungen wurden wirklich immer sinnloser – fünf Schiffsladungen Getreide sollten wir ihm im letzten Winter liefern, obwohl, nach allem was ich gehört habe, in den Ostlanden kein Mangel an Nahrung herrschte. In der Westmark jedoch hat es im letzten Jahr schwere Unwetter gegeben, die einen großen Teil der Ernte vernichteten. Wahrscheinlich hätten dort viele Menschen den letzten Winter nicht überstanden, wenn wir Gweregons Forderung erfüllt hätten. Natürlich mache ich mir Sorgen. Was passiert, wenn unser Onkel tatsächlich so verrückt wäre, einen Krieg zu beginnen? Kann sein verletzter Stolz ihn dazu bringen, so viele Menschenleben zu riskieren?«
    Carilon warf Seregon einen bedeutungsvollen Blick zu und wandte sich dann an seinen Bruder.
    »Nun, zumindest einen seiner Pläne kennen wir. Das ist auch der Grund, aus dem wir zu dir gekommen sind. Aber davon soll Seregon berichten.«
    »Du kennst sicher Eldilion, unseren Gildenmeister«, begann

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