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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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musst du dich deinem Schicksal stellen.«
    »Du schickst mich also fort? Wenn ich mein Schicksal ändern will, dann kann ich das nur im Norden tun und nicht hier.«
    »Ich schicke dich nicht fort. Du musst deine Entscheidung morgen treffen. Aber jetzt vergiss das Morgen – lass uns zu unseren Decken zurückkehren, mir ist kalt.«
    »Dein Kleid, du solltest es wieder anziehen.«
    »Nein«, sagte Rhya. »Du sollst mich wärmen. Diese Nacht gehört uns beiden.«
    *
    Die wärmenden Strahlen der Sonne hatten schon begonnen, die Kühle der Nacht zu vertreiben, als Jandaldon erwachte. Der Sänger spürte Rhyas Nähe, die Berührung ihrer Hand auf seiner Brust, die Wärme ihres Körpers an seiner Seite. Er blickte zu der jungen Frau hinüber und sah, dass sie wach war und ihn anlächelte.
    »Du hast lange geschlafen«, sagte sie.
    »Ja.« Auch Jandaldon lächelte. »Du hättest mich wecken sollen – nun habe ich die Dämmerung dieses Tages verpasst, der der letzte meines Lebens sein soll.«
    »Du willst also immer noch das Feuer suchen?«
    »Ja, ich will es suchen.« Jandaldon erhob sich von seinem Lager und blickte nach Nordosten – dorthin, wo er in der Nacht zuvor das Leuchten des Feuers gesehen hatte. Der ferne Hügel war kahl, genauso wie das Land, durch das sie an den letzten Tagen gereist waren. Dort, wo kein blanker Fels zu sehen war, bedeckte meist nur kümmerliches, vergilbtes Gras das Land, von dem Feuer war allerdings nichts zu sehen. Enttäuscht wandte Jandaldon seinen Blick wieder der jungen Frau zu, die mit unergründlichem Gesichtsausdruck damit beschäftigt war, ihre Kleidung anzulegen.
    »Das Feuer«, sagte der Sänger. »Ich sehe es nicht mehr.«
    »Es ist nicht weit«, antwortete Rhya. »Bis zum Abend werden wir es finden.«
    »Woher weißt du das?«
    »Warum fragst du mich das immer wieder? Ich weiß es, weil ich bin, wer ich bin. Ich kenne dieses Land und seine Wunder besser, als ich die Menschen kenne. Besser, als ich dich kenne. Ich hatte gedacht, dass es für dich noch Hoffnung gibt.«
    »Hoffnung? Nein, mein Leid sitzt zu tief. Und doch – du hast mir viel gegeben. Voller Verzweiflung habe ich mein Ende gesucht – nun kann ich glücklich in die Flammen gehen, und ich werde mit einem Lächeln sterben.«
    »Dein Lächeln könnte verschwinden, wenn die Hitze des Feuers dich umfängt. Warum wünschst du dir einen derart grausamen Tod? Du solltest nicht aufhören, darüber nachzudenken. Wir werden nun den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen – das gibt dir mehr Zeit für deine Gedanken.«
    Sie sprachen nur wenig mehr an diesem Morgen. Noch während ihrer Morgenmahlzeit zog Jandaldon seine Laute hervor, und während sie ihren Weg fortsetzten, spielte er leise die Melodie seines Liedes. Rhya blieb schweigsam an seiner Seite, die Craith-Echse am Zügel hinter sich führend. Kaum achtete Jandaldon auf den Weg zu seinen Füßen, denn sein Blick wanderte immer wieder zu dem fernen Hügel, auf dem in der vergangenen Nacht das Feuer gebrannt hatte. Ein paar Baumgerippe standen auf dem Hang, offenbar schon zu Lebzeiten verkümmert und schwach, und nun seit langer Zeit schon tot und vertrocknet. Es war nicht so warm wie am Vortag, denn die Sonne hatte sich hinter dichten grauen Wolken verborgen. Als gegen Mittag leichter Regen einsetzte, hielt Jandaldon kurz an, um seine Laute wieder in ihre schützende Lederhülle zu verstauen. Leise summend ging er dann weiter, und immer noch war es die gleiche Melodie, die er zuvor auf seinem Instrument gespielt hatte. Erst als sie den Fuß des Hügels erreichten, löste sich seine Anspannung. Plötzlich blieb er stehen, um Rhya anzulächeln.
    »Ich habe eine Entscheidung getroffen«, sagte er.
    »Eine Entscheidung?« Rhya erwiderte den Blick des Sängers, doch ihr Gesicht blieb ernst. »Wirst du deine Suche nach dem Feuer beenden?«
    »Meine Suche beenden, so kurz vor dem Ziel? Nein, ich werde das Feuer suchen, und ich werde es finden. Doch ich habe mich nun endlich entschieden, wie mein Lied enden soll. Ich weiß nicht, warum ich so lange gegrübelt habe – denn es ist das Ende, das ich von Beginn an vorgesehen hatte.
      
    Der Sänger starb im Feuer,
es bleibt nur dieses Lied.
Sagt ihr, die ihm einst teuer,
dass er für sie verschied.
      
    Wirst du diese Worte zu meinem Angedenken mit dir tragen?«
    »Ich werde dein Angedenken mit mir tragen, und es geht weit über diese Worte hinaus. Sieh, wir haben den Hügel erreicht, hinter dem das Feuer auf uns wartet. Wenn

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