Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
Vom Netzwerk:
entspannt, so als würde sie die Hitze nicht spüren. Dann öffnete sie ihre Augen, sah ihn an, und sie hielt ihm ihre Hand entgegen. Er brauchte sie nur zu fassen, um dieser Hölle zu entfliehen, fort von dem Schmerz, der ihn nun verzehrte. Einen Moment lang zögerte Jandaldon, kämpfte mit sich selbst, dann wandte er sich von der jungen Frau ab, ging ziellos ins Feuer hinein. Er war hierhergekommen, um sein Leben hinter sich zu lassen, und diese Frau war die letzte Brücke gewesen, die ihn mit dem Leben verband. Nun, allein in den Flammen, würde er sterben, es sei denn, Firion selbst würde ihm einen Weg weisen. Er ging mit geschlossenen Augen weiter, denn der allgegenwärtige flackernde Lichtschein war ohnehin alles, was er noch sehen konnte. Schon waren all seine Sinne nutzlos, die Welt um ihn herum schien nicht mehr zu existieren. Seine Welt war Feuer – Feuer und Schmerz – und all sein altes Leid hatte keine Bedeutung mehr. Seine Seele schmolz dahin in der Glut, und die alten Narben und Wunden schlossen sich. Und auch der Schmerz verblasste langsam, als der Sänger die Schwelle des Todes betrat.
    Er spürte kaum noch, wie sein Körper zu Boden stürzte, als seine Füße über einen Felsbrocken stolperten. Vor sich allerdings sah er ein Licht, heller noch als das Feuer, und er wusste, dass dies sein Ziel war, sein Ende. Gegen das Leuchten sah er den Umriss einer Gestalt, selbst strahlend hell, und doch dunkel gegen das Licht. Jandaldon wunderte sich, seine eigene Stimme zu hören, denn er war sich nicht mehr sicher, ob er einen Mund besaß, der sprechen konnte, und er wusste auch nicht, ob er Ohren besaß, um zu hören.
    »Bist du ein Engel?«, fragte er.
    »Ich komme von Firion – wenn es das ist, was du meinst.« Obwohl die Stimme der Gestalt nur leise erklang, war sie von einer geheimnisvollen Macht erfüllt.
    »Bist du gekommen, um mich auf meinem letzten Weg zu führen?«
    »Für deinen letzten Weg brauchst du keinen Führer, du wirst ihn auch allein finden. Ich kann dich nicht begleiten – es sei denn, du nennst mir ein anderes Ziel.«
    »Ein anderes Ziel? Welches andere Ziel sollte es geben?«
    »Weißt du es nicht selbst?«
    »Ja, ich weiß es«, sagte Jandaldon. »Leben ist das Ziel. Doch ich bin hier, weil ich das Leben fliehe, den Schmerz und die Schuld, die ich auf mich geladen habe.«
    »Dein Tod löscht deine Schuld nicht aus«, sagte die Gestalt. »Nur wenn du lebst, kannst du das Übel wiedergutmachen, das du verursacht hast.«
    »Aber werde ich das wirklich schaffen?«
    »Wenn dies jemand weiß, dann nur Firion. Zumindest wirst du eine Gelegenheit dazu haben, wenn du mir nun die Hand reichst.«
    Jandaldon sah die Hand, die sich ihm entgegenstreckte, und dennoch zögerte er, danach zu fassen.
    »Und was soll ich tun, wenn ich weiterlebe?«
    »Was du immer getan hast«, sagte der Engel. »Ziehe weiter und singe dein Lied.«
    »Welches Lied meinst du?«
    »Das neue Lied, das du ersonnen hast.«
    »Was weißt du von meinem Lied?«, fragte Jandaldon.
    »Deine Seele liegt offen vor mir, ich sehe deinen Schmerz, und ich sehe dein Lied.«
    »Wenn ich nun mit dir gehe, werde ich es erneut ändern müssen.«
    »Ja, das wirst du.«
    »Aber wozu soll mein Lied jetzt noch nützen?«
    »Du wirst es sehen, wenn du es versuchst. Also sage mir nun – willst du leben?«
    »Werde ich denn noch einmal Glück finden?«
    »Ich weiß es nicht. Aber du wirst zumindest einen Teil deines Schmerzes hier im Feuer zurücklassen.«
    Jandaldon sah die Hand vor sich, die der Engel ihm darbot, doch sein Blick wanderte noch einmal an der Gestalt vorbei zu dem hellen Licht, das ihm nun näher erschien als zuvor. Dann glaubte er, eine Stimme zu hören, die ihn rief. Es war eine körperlose Stimme, und Jandaldon konnte nur ahnen, dass sie Rhya gehörte. Ihr Gesicht erschien ihm im Geist, dann sah er weitere Gesichter, die ihm erwartungsvoll entgegenblickten. Halfas war unter ihnen, und die Miene des Kapitäns war ernst und drängend. Auch der andere Engel war dort, die junge Frau aus dem Drachenland, denn nun erkannte der Sänger, dass sie ein Mensch sein musste und kein Engel. Zuletzt sah er Jeslyn, die ihm zulächelte, dann verblasste ihr Gesicht und löste sich in den Flammen auf.
    »Ja, ich will leben.« Von einer plötzlichen Entschlossenheit ergriffen, fasste Jandaldon die Hand des Engels, und schon fühlte er sich hochgehoben, fühlte er seine Füße wieder. Langsam, Schritt für Schritt, bewegte er sich durch das

Weitere Kostenlose Bücher