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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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aus ihrem Schlaf aufschrecken, und verwirrt blickte sie um sich. Es dauerte einen Moment, bis sie sich erinnerte, wo sie sich befand. Ihre rechte Hand umklammerte den Griff ihres Schwertes, während sie zugleich die weiche Decke und die Strohmatratze des Bettes spürte, auf dem sie lag. Ein Bett – ja sie waren immer noch in Car-Niëllath, doch am nächsten Tag würden sie ihre Reise in den Süden antreten. Danira fragte sich, was sie geweckt hatte, als gleich darauf das Geräusch erneut ertönte – es war ein Klopfen an ihrer Tür, gefolgt von einem Flüstern.
    »Danira? Darf ich hereinkommen?«
    »Timon? Bist du das?« Danira setzte sich auf und konnte nur schemenhaft erkennen, dass die Tür einen Spalt geöffnet war. Eine Gestalt stand dort, nur ein dunkler Schatten gegen das etwas hellere Grau des Korridors.
    »Ja, ich bin es«, sagte Timon, und noch ein paar Worte murmelte er, woraufhin ein schwaches Licht in seiner Hand zu glühen begann. Danira sah, dass der Junge vollständig angezogen war, und auch Tan-Thalions zerschlissene Ledertasche hing an seiner Seite.
    »Ich brauche deine Hilfe«, sagte er.
    »Jetzt, mitten in der Nacht?«, fragte Danira. »Wie spät ist es?«
    »Vielleicht zwei Stunden nach Mitternacht.« Timon zögerte kurz. »Ich werde jetzt in die Magiergilde gehen. Wirst du mir dabei helfen?«
    »Aber Loridan und Herubald haben gesagt …«
    »Die beiden haben mir nichts zu sagen. Sie haben auch dir nichts zu sagen. Wir beide sind in dieser Gemeinschaft genauso wichtig wie sie – vielleicht noch wichtiger. Sie können uns Ratschläge geben, es steht ihnen jedoch nicht zu, über uns zu befehlen. Ich habe gute Gründe, warum ich ihren Rat ignorieren will. Als ich in dieser Stadt lebte, verfügte ich über Wissen, das ich jetzt wiedergewinnen muss. Es sind wichtige Dinge – Kenntnisse über die Dimensionen und die Dämonen. Wir brauchen dieses Wissen, um unsere Mission weiterzuführen.«
    »Wenn es so ist, warum erklärst du es nicht den anderen? Sie werden es verstehen.«
    »Das Verständnis der anderen bedeutet mir nichts, und helfen können sie uns ohnehin nicht. Ich werde Herubalds Rat beherzigen und nicht offiziell die Gilde besuchen. Es gibt einen geheimen Eingang, aber wir können nicht mit einer ganzen Truppe unbemerkt durch die Gänge der Gilde schleichen. Ich möchte, dass nur du mich begleitest. Ich fürchte allerdings, dass es gefährlich werden könnte, denn dunkle Ahnungen sind in den letzten beiden Tagen in mir erwacht. Wirst du trotzdem mit mir kommen?«
    »Ja, ich werde mit dir kommen.« Danira antwortete ohne zu zögern. »Gib mir nur einen Moment, um mir etwas überzuziehen.«
    *
    Nervös blickte Danira um sich, während sie mit Timon durch die verlassenen Straßen der nächtlichen Stadt eilte. Über den Himmel zogen Wolken, die das Auge des Wächters immer wieder verdüsterten, und zwischen die eng beieinanderstehenden Häuser drang nur wenig Licht. Nur selten begegneten ihnen einsame Wanderer: Einmal sahen sie einen Mann, der Flüche und Verwünschungen vor sich hin murmelte, während er mit hastigen Schritten vorüberging, dann schlich eine Gestalt torkelnd am Rand der Gasse entlang. Die respektablen Bürger der Stadt lagen zu dieser späten Stunde offenbar in ihren Betten, und nur einmal trafen sie einen Mann in kostbarer Kleidung, der von zwei gerüsteten Wächtern begleitet wurde. Die Notwendigkeit eines bewaffneten Geleitschutzes ließ Danira erahnen, dass man auch in dieser Stadt nicht vor Dieben oder Mördern sicher war, und mit zunehmendem Misstrauen betrachtete sie die Gestalten, die ihnen zuweilen begegneten.
    Je weiter sie ihren Weg fortsetzten, umso mehr wurde ihr bewusst, wie unsinnig diese Unternehmung war. Wollte Timon wirklich in das Haus der Magiergilde einbrechen – in ein Haus, das sicherlich über alle erdenklichen Schutzvorrichtungen verfügte? Was würde Loridan wohl sagen, wenn ihr nächtlicher Ausflug schwerwiegende Folgen hätte? Aber als Timon mitten in der Nacht zu ihr gekommen war, hatte sie gehofft, dass die alte Vertrautheit zwischen ihnen wieder erwachen würde. Sie hatte seine Bitte nicht ablehnen können, doch nun erkannte sie, dass Timon wenig Wert darauf legte, vergangene Gefühle zu erneuern. Er sprach nicht, und sein Blick war starr nach vorne gerichtet, während er ohne zu zögern seinen Weg durch die verwinkelten Straßen und Gassen wählte.
    Daniras Hand umfasste das Heft ihres Schwertes, das immer noch in einer Decke verborgen war.

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