Brüder der Drachen
Tür, und gleich darauf trat die Königin in die Kapelle, begleitet von Ylee und dem jungen Prinzen.
Grimstan bewunderte Jeslyns Selbstbeherrschung im Angesicht der Gefahr, in die sie sich begeben wollte, doch als ihr Blick den seinen traf, erkannte er einen Anflug von plötzlicher Sorge. Bisher hatte er der Königin nicht gegenübergestanden, und er ahnte, dass er selbst der Anlass für ihre Furcht war. Die beiden Frauen und der Prinz setzten sich auf die vorderste der vier Bänke, und bald darauf begann Sad Serion mit seiner Predigt. Dem alten Priester gelang es nur mühsam, seine Nervosität zu verbergen, während er ein Kapitel aus dem Buch Firion vorlas. Immer wieder hob sich sein Blick und schweifte zwischen den Wachen und der Königin hin und her.
Der junge Prinz saß neben seiner Mutter, und auch er erschien unruhig und unaufmerksam. Nervös fragte sich Grimstan, wie viel Gwyll wohl über die Fluchtpläne der Königin wusste. Ein falsches Wort des Jungen konnte alles gefährden. Zum Glück war der verzärtelte Thronfolger offenbar zu schüchtern, um mit Fremden zu reden.
In seiner Zerstreutheit geriet Sad Serion in die falsche Spalte des Textes, und für einen Moment kam seine Rede ins Stocken. Hilflos blickte er auf, doch der drängende Blick der Königin zwang ihn, sich zu beherrschen. Er setzte seine Predigt fort, und mit einiger Mühe erreichte er das Ende des Kapitels ohne weitere Unterbrechungen.
Ein Blick zu dem silbernen Glasfenster der Kapelle zeigte Grimstan, dass das Licht draußen weiter geschwunden war – die vereinbarte Zeit war gekommen. Er blickte in Ylees Augen und nickte bedeutungsvoll. Sie erwiderte den Blick, der Hauch eines Lächelns spielte über ihre Lippen, dann stieß sie einen lauten Seufzer aus und sank leblos zu Boden. Die Königin beugte sich sogleich über ihre Gefährtin und rief dann ihre Wachen herbei. Kaum hatten die beiden Soldaten sich neben die Besinnungslose gekniet, als Grimstan und Sad Eldon sich auf die Männer stürzten und Dolche an ihre Hälse setzten. Schnell waren die Soldaten überwältigt und ihrer Rüstungen beraubt. Grimstan und Sad Eldon beeilten sich, die Ringpanzer und die rostroten Überwürfe anzulegen, dann trat die Königin an die Tür des Tempels, um mit ruhiger Stimme ihre restlichen Wachen hereinzurufen. Auch diese beiden Männer wurden überwältigt und gefesselt. Aus einer Wandnische brachte Sad Serion dunkelgraue Gewänder zum Vorschein, die er der Königin und dem Prinzen reichte.
»Firion möge mir vergeben für das, was ich hier tue«, sagte er. Dann kniete er noch einmal vor dem Altar nieder und verharrte für kurze Zeit in einem stillen Gebet.
»Firion wird gnädig auf uns blicken«, sagte Sad Eldon, nachdem der alte Priester sich wieder erhoben hatte. »Der erste Teil unseres Planes ist bereits gelungen. Nun allerdings steht uns die schwierigste Prüfung bevor – die Flucht aus der Burg und aus der Stadt.«
»Mein Vater wird euch strafen, wenn mir ein Leid geschieht.« Der junge Prinz hatte schweigend und verängstigt zugesehen, wie seine Wachen überwältigt worden waren. Erst jetzt wagte er es, seinen Mund zu öffnen, immer noch Schutz suchend an seine Mutter gedrängt.
»Euch soll kein Leid geschehen«, erwiderte Sad Eldon, während er vor dem Prinzen auf ein Knie sank und ihn freundlich anlächelte. »Im Gegenteil – wir sind gekommen, um Euch zu dienen und Euch zu retten.«
»Wenn ihr meine Diener seid, dann sollt ihr alle vor mir knien – ich bin der Sohn des Königs.«
»Still, mein Sohn. Diese Männer sind Freunde und keine Diener.« Die Königin beugte sich zu dem Jungen hinunter und blickte fest in seine Augen. Ihre Hand strich sanft durch sein Haar, bevor sie ihm die Kapuze des Umhangs überzog. »Das Königreich ist in Gefahr, und diese Männer werden uns in Sicherheit bringen. Du darfst diese Kapuze nicht ablegen und kein Wort sagen, bevor ich es dir erlaube. Hast du das verstanden?«
Der junge Prinz nickte schweigend.
»Dann lasst uns also gehen«, sagte Grimstan.
Als Erste traten Sad Eldon und Grimstan aus der Kapelle heraus, in die Rüstungen der überwältigten Wachen gekleidet. Die Nacht hatte begonnen, den Himmel zu erobern, und im Osten waren bereits die ersten Sterne zu sehen. Auf Grimstans Zeichen hin trat auch der Rest der Gesellschaft hervor, und Sad Serion übernahm die Führung, gefolgt von der Königin und ihrem Sohn, die beide ihre Kapuzen tief über ihre Gesichter gezogen hatten. Ylee ging hinter
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