Brüder der Drachen
züngelnden Flammen zu entgehen. Dann erblickte er Danira, eingezwängt in der Menschenmenge, aber nicht mehr weit vom Tor entfernt. Zorn stand in ihrem Gesicht; die Thrya-Rune lag in ihrer Hand. Ihre Lippen bewegten sich, und Loridan ahnte die Worte, die sie sprach.
Besorgt beugte er sich weiter vor, um zu sehen, was geschehen würde, denn es war ohnehin zu spät, um Danira von ihrem Vorhaben abzubringen. Das kleine Feuer loderte plötzlich mit einem knisternden Funkensturm hoch empor zu einem Vielfachen seiner ursprünglichen Höhe. Der Fischmensch war eingehüllt in die Flammen, und seine Zuckungen endeten abrupt. Die Männer, die oben auf der Mauer gestanden hatten, flohen mit entsetzten Schreien. Auch die Menschen, die in der Nähe des Feuers standen, wichen ängstlich zurück. Keiner von ihnen beachtete Danira – nur Loridan sah, wie sie sich mit Tränen in den Augen von dem Feuer abwandte und wieder auf den Hafen zustrebte. Dann trat Sad Olgar an ihn heran, und die beiden Männer tauschten einen langen Blick.
»Nun – sie beherrscht die Macht ihrer Rune, was meint Ihr?«, sagte der Priester.
»Ich meine, dass es Zeit ist, diese Stadt zu verlassen«, erwiderte Loridan und bemühte sich, Danira mit seinen Blicken zu folgen, während er auf die Treppe zueilte, die ihn von dem Wehrgang hinunterbringen würde.
»Ja, morgen werden wir die Stadt verlassen«, sagte Sad Olgar, der ihm folgte. »Doch zu welchem Ende? Egal, wie der Kampf in der Stadt des Bösen ausgehen mag – Thaur-Angoths Macht ist in den Menschen und wird nicht von ihnen weichen. Firion möge uns beschützen.«
*
»Auf den Wind und die Wellen.« Raydan hob seinen Becher und prostete den Gefährten zu.
Sie befanden sich im geräumigen Gastraum einer Hafentaverne, dessen Wände mit verblichenen Malereien verziert waren. Nur der vorherrschende blaue Farbton ließ noch erahnen, dass dort Szenen des Lebens am oder im Meer dargestellt waren. Mit dem Kapitän zusammen an einem Tisch saßen die fünf Auserwählten sowie auch Tirandor, Herubald und Gerric. Am Nebentisch hatte Sad Olgar Platz genommen, zusammen mit den jungen Männern, die er aus der Seestadt mitgebracht hatte. Auf den Tischen standen Teller, Platten und Schalen mit den spärlichen Überbleibseln einer ausgiebigen und vielfältigen Mahlzeit.
»Morgen werden wir in See stechen«, fuhr Raydan fort, »und wir wollen die Geister des Windes und des Wassers um eine gute Fahrt bitten.«
Mit einer bedächtigen Bewegung goss er ein wenig Bier aus seinem Becher auf den schmutzigen Fußboden, wo es eine schäumende Lache bildete. Erst dann führte Raydan das Gefäß an die Lippen und nahm einen tiefen Zug. Die anderen hoben ihre Becher und prosteten ihm zu, dann tranken auch sie.
»Ihr mögt die Sitten dieses Landes als merkwürdig erachten«, sagte Sad Olgar so laut, dass auch die Gefährten am Nebentisch ihn verstehen konnten. »Doch die Macht der Elemente ist für die Menschen des Südens allgegenwärtig, und sogar offenkundiger als das Wirken Firions, unseres Schöpfers. Ihr selbst kennt den Zauber der Runen, die Ihr mit Euch tragt. Ihr seid durch dieses Land gewandert, und Ihr habt gegen Ul’ur gekämpft. Ul’ur bestand aus elementarer Energie und war beseelt durch Thaur-Angoths finsteren Willen. Die Kraft der Elemente selbst ist allerdings nicht finster – sie ist herrlich und Ehrfurcht gebietend. Es gibt Orte in diesem Land, an denen diese Macht offen zutage tritt, und es gibt sogar Priester, die sie verehren.«
Danira bemerkte, dass Sad Olgar bei diesen Worten zu Jandaldon blickte, der unruhig neben ihr saß und seinen leeren Becher in den Händen hielt.
»Doch ich will Euch keinen Vortrag über dieses Land halten«, fuhr der Priester fort. »Ihr habt genug von ihm gesehen – die Ruinen von Car-Lanadhon und das Öde Land. Gerne hätte ich Euch auch die Seestadt gezeigt, die meine Heimat ist. Vielleicht wird es dafür eine andere Gelegenheit geben – nachdem wir uns unserer Aufgabe gestellt haben. Dies ist nun der letzte Abend, den wir hier an diesem Ort verbringen. Morgen werden wir aufbrechen zu der Fahrt, die das Schicksal unserer Welt entscheiden wird. Möge Firion mit uns sein.«
Sad Olgar setzte sich wieder auf seinen Platz, und die Gespräche der anderen gingen weiter, auch wenn am Tisch der Gefährten nur wenige Worte gewechselt wurden. Immer wieder sahen die fünf Auserwählten sich wechselseitig an, ohne etwas zu sagen, und bald fand Danira die gedrückte Stimmung
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