Brüder der Drachen
unerträglich. Ihre Gedanken kehrten ständig zu den Gefahren zurück, denen sie sich bald stellen mussten, und auch das Bewusstsein, dass sie das Schicksal mit den Gefährten um sie herum verband, brachte ihr keine Erleichterung. Mit einer raschen Bewegung trank sie den Rest des süßen Cranog-Sudes aus ihrem Becher und stellte das leere Gefäß auf den Tisch zurück. Dann erhob sie sich und beugte sich zu Loridan und Selina hinüber, die ihr gegenübersaßen.
»Ich gehe nach draußen«, sagte sie. »Ich will mich von der Stadt verabschieden.«
»Du solltest nicht alleine gehen«, sagte Loridan. »Und halte dich vom Hafen fern.«
»Keine Sorge, ich komme schon zurecht.«
»Aber sei zurück, bevor es dunkel wird – wir dürfen so kurz vor der Konjunktion keine Risiken mehr eingehen.«
»Und doch willst du die Nacht auf dem Seedrachen verbringen?«
»Ja«, sagte Loridan, »wir müssen das Schiff schützen, denn wenn wir es verlieren sollten, dann wäre unsere Mission gescheitert. Die Fischmenschen sind in den letzten Nächten immer dreister geworden.«
»Ich weiß«, sagte Danira. »Und ich werde zurück sein, bevor die Nacht anbricht.«
Gerade, als sie sich abwenden wollte, erhob sich Jandaldon und trat in ihren Weg.
»Ich gehe mit dir«, sagte er. »Wenn ich darf.«
»Natürlich.« Mit gerunzelter Stirn betrachtete Danira den Sänger, zeigte ihm aber schließlich ein unsicheres Lächeln. »Wenn du Lust zu einem Spaziergang hast.«
»Die habe ich.« Jandaldon lächelte zurück. »Ich bin nicht in der Stimmung für Wein und lustige Gesellschaft.«
»Ich auch nicht«, sagte Danira, als sie auf die Straße hinaustraten. »Ich wünschte, die Nacht wäre vorbei und wir könnten abfahren. Es ist Zeit, dass wir die Sache hinter uns bringen.«
»Hinter uns bringen?« Jandaldon ging neben Danira her, als sie zielstrebig in eine Gasse einbog, die vom Hafen wegführte. »Ja, das Gleiche habe ich auch zu Tirandor gesagt. Für mich gibt es allerdings einen Grund, so zu reden. Ich habe Schuld auf mich geladen, und nun warte ich auf die Gelegenheit, alles wiedergutzumachen.«
»Ich warte auf nichts, nur darauf, dass alles vorbei ist. Ich bin aus der Stadt der Geister aufgebrochen, weil ich dachte, dass in Car-Tiatha alles besser wäre. Und seitdem habe ich keine Ruhe mehr gefunden. Dämonen verfolgten uns und auch die Soldaten des Königs – wohin wir auch gingen.«
Rasch folgte Danira dem Weg durch die Stadt, den sie schon oft gegangen war, und sie achtete kaum auf ihre Umgebung. Trotzdem entging es ihr nicht, dass Jandaldon kritisch die zerfallenen Fassaden der Häuser musterte, die die menschenleeren Straßen säumten.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Mein Fehler war schuld an deinem Leid. Wenn ich nicht gewesen wäre, dann hätten die Alten diese Konjunktion nicht nutzen können.«
»Es lässt sich nun nicht mehr ändern.« Danira blieb vor einem halb zerfallenen Gebäude stehen und wandte sich dem Sänger zu. »Kommst du mit mir hinein? Es ist ein alter Tempel, und ich bin gerne hier.«
»Natürlich – geh nur voraus, und ich folge dir.«
Sie führte Jandaldon an der Außenwand entlang, bis sie das große Portal erreichten, das schief in seinen Angeln hing. Ein schmaler Spalt stand zwischen den Türflügeln offen, gerade breit genug für Jandaldon, um sich hindurchzuzwängen. Der hohe Innenraum, in den sie traten, war weitgehend intakt, doch viele der Silberglasfenster waren zerstört, und das Tageslicht konnte ungehindert hereindringen. Ein gewaltiges Mosaik füllte die nördliche Wand, gebildet aus unzähligen Steinen in verschiedenen Tönen von Grau, Silber und Schwarz. Unterhalb eines zersplitterten Fensters in der südlichen Wand war ein Kreis aus Metall befestigt – das Symbol Firions.
»Ich bin oft hier gewesen in den letzten Tagen«, sagte Danira. »Und ich habe viel nachgedacht. Es ist ein wunderbarer Ort dafür.«
»Ja, es ist ein wunderbarer Ort. Aber gibt es nicht in der Nähe des Hafens einen Tempel, wo auch ein Priester weilt?«
»Ja, den gibt es. Es ist aber nicht mein Wunsch, mit Priestern zu reden – Sad Olgar natürlich ausgenommen.« Für eine Weile blickte Danira schweigend zu dem Fenster hinauf. »Eigentlich hatte ich gehofft, dass der Engel hier erscheinen würde, wenn er mich alleine warten sieht. Ich habe auch viel darüber nachgedacht, ob du die Schuld trägst an den Dingen, die nun geschehen. Doch ich glaube, es war vorbestimmt, dass ich in diese Geschehnisse verwickelt
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