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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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Fläche bis zum Horizont. Noch konnte Aeons Licht das Wasser nicht erhellen, und auch auf ihm lag ein roter Schimmer – ein letzter Abglanz des Himmelswanderers, der erst vor kurzer Zeit am Horizont versunken war. Bewegungslos wie Statuen erschienen die Drachen, so als wären sie ein Teil des Felsens, der sich hier über das Land und das Meer erhob. Ruhig blickten sie der Sonne entgegen, deren helle Strahlen sich anschickten, die Kälte der Nacht zu vertreiben. Und so, als ob die Wärme der Sonne die Starre von den Drachen gelöst hätte, ging plötzlich eine Bewegung durch die Schar der gewaltigen Körper.
    »Wir begrüßen Aeons Licht, das die Schatten der Nacht schmelzen lässt und das unheilige Licht des Bösen vertreibt«, sagte Eisenklaue. »Doch ich habe euch nicht hierhergerufen, um gemeinsam mit euch den Anbruch des Tages zu erleben. Der Rat muss sich sammeln für eine wichtige Nachricht.«
    Die Drachen, die bisher ungeordnet auf dem Plateau verteilt waren, bildeten nun einen Kreis. Alle Augen wandten sich Eisenklaue zu, an dessen Seite Schwarzauge und Feuerwind standen.
    »Goldschuppe hat angekündigt, dass er uns verlassen will, um in den Süden zu gehen«, sagte Eisenklaue. »Er hat es gelernt, dem Zauber der Schwarzen Seelen zu trotzen, und er glaubt, dass es ihm gelingen wird, bis in die Stadt des Bösen vorzudringen.«
    »Das ist ein kühner Plan«, sagte Steinschmelzer. »Der Rat muss darüber entscheiden, ob dies der Wille Aeons ist.«
    »Die Entscheidung ist bereits gefallen«, sagte Eisenklaue. »Goldschuppe hat sie allein getroffen – und auch ich habe erst jetzt davon erfahren. Es ist eine Entscheidung, die nicht der Vernunft entspringt, denn klein ist die Hoffnung, dass Goldschuppe allein die Alten überwinden kann. Genauso klein war jedoch die Hoffnung der Menschen, die bereits in den Süden gegangen sind, um sich ihrem Schicksal zu stellen. Fremd erscheinen uns die Wege der Menschen, doch auf ihren Pfaden will nun auch Goldschuppe wandeln. Wenn er nicht zurückkehren sollte, dann verlieren wir einen wertvollen Gefährten. Vielleicht den wertvollsten unter uns allen. Trotzdem kann ich Goldschuppes Entscheidung nicht widersprechen, denn es ist eine Entscheidung, die aus Liebe geboren ist. Und die Liebe steht über allem – vor allem diese Liebe, die besteht zwischen Drachen und Menschen. Aeon muss gewollt haben, dass eines Tages eine solche Liebe entsteht – also müssen wir Goldschuppes Wunsch respektieren.«
    »Wenn diese Liebe Aeons Wunsch ist, dann wird sie auch künftig erblühen«, sagte Schwarzauge. »Die Menschen, die nun in unserem Reich leben, sind uns freundlich begegnet. Es wird weitere Freundschaften zwischen Menschen und Drachen geben, auch wenn Goldschuppe scheitern sollte.«
    »Ja, es wird Freundschaft geben – aber auch Misstrauen.« Eisenklaues Augen funkelten im Licht der Sonne. »Ich habe Angst und Zweifel in den Herzen der Menschen gesehen. Und aus diesen kann der Hass hervorgehen, wenn Thaur-Angoth seine Saat des Bösen ausbringt. Die Menschen, die wir getroffen haben, waren keine reinen Kinder Firions. Auch Thaur-Angoths Macht ist nun in unser Reich eingedrungen, und sie wird sich bemühen, Drachen und Menschen wieder zu entzweien. Doch das mag die Zukunft erweisen.«
    Eisenklaue schwieg für eine Weile, während er in die Augen seiner Gefährten blickte, die sich um ihn versammelt hatten. Keiner der anderen Drachen sagte etwas, und so ergriff Eisenklaue wieder das Wort.
    »Tritt nun vor mich, Goldschuppe, Sohn von Donnersturm und Sonnenfeuer.«
    Der kleine Drache löste sich aus der Reihe seiner Gefährten, wo er zwischen seinen Eltern gesessen hatte. Langsam, doch voller Entschlossenheit, trat er nach vorne.
    »Goldschuppe«, sagte Eisenklaue. »Du wirst den Rat der Drachen verlassen und in den Süden gehen, dorthin, wo keiner von uns dir folgen kann. Nur unsere Gedanken werden bei dir sein. Grüße Goldhaar von mir, deine Schwester, und Drachenblut, mit der du in Liebe verbunden bist. Und grüße ihre Gefährten, an deren Seite du kämpfen willst.«
    »Das werde ich«, sagte Goldschuppe.
    »Dann ist nun alles gesagt, was gesagt werden muss. Möge Aeons Licht dich beschützen und sein Feuer, das in dir brennt.«
    Keine weiteren Worte wurden gesprochen, und Goldschuppe wandte sich von Eisenklaue ab. Mit kräftigen Flügelschlägen hob er sich in den Himmel, gefolgt von Donnersturm und Sonnenfeuer. In einer weiten Schleife überflogen sie noch einmal die Versammlung

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