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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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aufrechterhielt. Vielleicht war es auch hier so, dass die Seele eines unglücklichen Verstorbenen um uns war und uns seine Stadt zeigte, so wie sie zu seinen Lebzeiten aussah.«
    »Eine gute Erklärung«, stimmte Tirandor zu. »Dann bleibt nur noch zu klären, wer es eigentlich war, der in dieser Stadt lebte. Die Bücher der Propheten berichten, dass dieses Land früher den Drachen und anderen Geschöpfen des Bösen gehörte. Aber die Häuser, die wir gesehen haben, dürften kaum die Heime von Drachen gewesen sein. Und wer war es, der die Stadt zerstörte?«
    »Es gibt Legenden über seltsame Kreaturen, die diese Stadt bewohnten und auch heute noch in diesen Bergen versteckt leben«, sagte Loridan. »Kreaturen, die einem Menschen ähneln, aber doch nicht menschlich sind. Ich habe freilich noch nie eine von ihnen gesehen.«
    »Die Geschöpfe des Bösen mögen über verschiedene Gestalten verfügt haben«, hörte man Sad Adans düstere Stimme. »Das Buch Firion berichtet, dass Thaur-Angoth seinen ersten Kindern eine Gestalt gab, die der von Firions Menschen ähnelte. Diese Wesen mögen sich auch Städte gebaut haben, die den Städten der Menschen glichen. Vielleicht hat Thaur-Angoth sein Werk später verdrossen, und er selbst hat in einem Anflug von Zorn die Stadt mitsamt ihrer Bewohner vernichtet. Damit hättet Ihr nicht nur eine Erklärung für die Existenz der Stadt, sondern auch für ihre Vernichtung.«
    Tan-Thalion glaubte, eine gewisse Gereiztheit in der Stimme des Priesters wahrzunehmen, die ihn verwunderte. Sollte etwas an Tirandors Frage Sad Adan verärgert haben? Oder sah der Priester das Wort Firions angezweifelt?
    »Gibt es denn im Buch Firion Beschreibungen, welche Gestalten die verschiedenen Geschöpfe des Bösen besitzen?«, fragte der Zauberer.
    »Nur seine ersten Kinder werden beschrieben, denn sie ähnelten den Menschen.« Die Stimme des Priesters klang wieder ruhig. »Über die anderen Geschöpfe erfährt man nur, dass sie schrecklich anzuschauen gewesen seien. Und manchmal werden einige Einzelheiten wie ihre Klauen, Reißzähne und Schwingen hervorgehoben.«
    »Mich wundert allerdings, dass im Buch Firion nie das Wort Drache auftaucht.« Tirandor hatte wieder das Wort ergriffen. »Erst die Bücher der Propheten erwähnen immer wieder die Drachen als die Kinder des Bösen, und diese Bücher wurden erst viel später geschrieben. Wusstet Ihr, dass bei den Menschen auf dem Südkontinent die Bücher der Propheten fast gänzlich unbekannt sind? Daher gehe ich davon aus, dass die Propheten ihre Bücher erst schrieben, nachdem dieser Kontinent hier in Besitz genommen worden war.«
    »Ich verstehe nicht, worauf Ihr hinauswollt.« Sad Adans Stimme klang wieder erregt. »Eure Argumente beweisen überhaupt nichts. Die Drachen sind eben nie bis zum Südkontinent vorgedrungen.«
    »Ich hatte nicht vor, irgendetwas zu beweisen«, sagte Tirandor. »Ich versuchte, eine Erklärung für die zerstörte Stadt zu finden. Wir können dieses Rätsel nicht lösen, also muss sich jeder von uns seine eigene Meinung bilden.«
    »Das wollen wir«, ertönte Loridans Stimme. »Doch seht, der Himmel klart auf. Ich denke, wir sollten dies nutzen, um weiterzureiten.«
    Eril-Firions Licht schien nun wieder hell durch die Bäume, und die Gefährten bestiegen ihre Reittiere, um die Reise fortzusetzen. Tan-Thalion war erleichtert, dass die Diskussion zu einem Ende gekommen war, denn der gereizte Unterton des Gesprächs hatte ihm Unbehagen bereitet. War es Tirandors Absicht gewesen, den Priester herauszufordern? Aber seine Fragen erschienen nicht unberechtigt. Die Erscheinung in der toten Stadt hatte ihm die geisterhafte Erscheinung ins Gedächtnis gerufen, von der Deryn ihm berichtet hatte, und die Worte, die Gerugrims Geist gesprochen hatte. Thaur-Angoth würde weniger Gnade zeigen als die Drachen. Warum auch sollte der Herr mehr Gnade zeigen als seine Geschöpfe? Steckte auch darin eine verborgene Bedeutung?
    Der Zauberer war tief in Gedanken versunken und beachtete kaum die Tropfen, die aus dem nassen Blätterdach des Waldes auf ihn herunterfielen. Die Reisenden hatten eine einfache Reihe gebildet, und nur mit Mühe konnte der Zauberer vor sich Gerrics Gestalt ausmachen. Oder war es Tirandor? Egal – irgendwie schaffte es seine Echse, den Anschluss an die vor ihm Reitenden zu halten, und er musste sich um nichts kümmern. Fast ohne etwas zu sehen, war der schlingernde Gang seines Reittieres das Einzige, das ihn mit der realen Welt

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