Brüder Des Zorns
waren leichter zu merken: Kriegsminister, Finanzminister, Außenminister, Minister der Kriegsmarine, Minister der Handelsmarine, Erster Ratgeber und so weiter. Osha Kl’an war der Hofmarschall.
Die Männer verbeugten sich vor dem Thron, als die Königin durch einen Wandbehang hinter dem Podest erschien. Sie trug ein sehr förmliches schwarzes Gewand, das mit Perlen bestickt und von einem weißen glänzenden Saum eingefasst war. Den Kopf bedeckte ein Schleier, der von einer goldenen, mit Juwelen geschmückten Tiara gehalten wurde.
Ansa begriff, dass es sich um eine offizielle Sitzung des Ministerrats handelte. Außerdem nahm er an, dass die Königin die Männer, die sich sonst um ihren Gemahl scharten, beeindrucken wollte. Hoheitsvoll ließ sie sich auf dem Thron nieder.
»Setzt euch, meine Herren.« Unter viel Geraschel und Stühlerücken ließen sich die Minister nieder. Als sie saßen, fiel Ansa auf, dass kein Stuhl mehr frei war. Er fragte sich, was er tun sollte, als die Stimme der Königin erklang.
»Edler Ansa, bitte nimm hier Platz.« Sie deutete auf einen niedrigen Schemel links vom Thron, der ihm vorher nicht aufgefallen war. Ansa schritt hinüber und setzte sich. Weder die Herrscherin noch die Ratgeber sahen ihn an. Anscheinend wünschte sie, dass er sich im Hintergrund hielt. Das war ihm nur recht. Sogleich begann er, sich die Gesichter einzuprägen, um sich später besser erinnern zu können.
»Werte Herren, heute Nachmittag überbrachte mir ein Kurier diese Botschaft.« Sie hielt die Bronzeröhre in die Höhe. »Sie stammt von König Gasam, der die Hauptstadt König Manas belagert. Wie ihr seht, ist das Siegel noch unversehrt. Ich wollte es erst öffnen, wenn ihr alle versammelt seid und mir mit eurem Rat beistehen könnt.« Den Mienen der Männer vermochte Ansa nichts zu entnehmen. Alle hörten höflich und aufmerksam zu. In den schweren Roben, mit Juwelen und Ketten behängt, wirkten sie äußerst gewichtig und ehrbar.
Die Königin riss das Wachssiegel ab und warf es auf den Tisch. Ansa fiel das schlichte Wappen auf: ein Paar gekreuzter Speere. Die Waffen waren ihm nicht fremd. Sein Vater trug immer einen solchen Speer bei sich. Es war die Waffe der Shasinn, und Gasam schien keine andere zu benötigen. Die Speere erklärten seine Herkunft und seine Einstellung.
Die Königin entrollte ein Pergament und begann mit lauter Stimme zu lesen. Die Botschaft war kurz, und Ansa blieb nicht genügend Zeit, um in den Mienen aller Ratgeber zu lesen. Der Kriegsminister sah zornig aus, der Finanzminister unbeeindruckt und der Außenminister höchst interessiert. Als sie geendet hatte, rollte die Königin das Schriftstück wieder zusammen.
»Es steht außer Frage, wer den Brief aufgesetzt hat«, sagte sie. »Ich habe schon viele Schreiben von Königin Larissa erhalten, und ihr Tonfall ist unverwechselbar. Die Schrift ist die eines Sonoaners, sicher ein Gefangener. Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Königin bei ihrem Gemahl vor den Toren Huatos befindet. Lord Ulfas, du siehst verärgert aus.«
Der Kriegsminister legte die Hand auf die Brust und verneigte sich. »Majestät, es handelt sich um dummes Geschwätz. Jeder weiß, dass ich kein Bewunderer König Manas’ bin, aber nicht einmal er wäre dumm genug, Gasam einen Vorwand für einen Angriff zu liefern. Das Piratenweib will uns Sand in die Augen streuen. Sie griffen Sono grundlos an und werden mit uns genauso verfahren, sobald sie unser Nachbarland unterworfen haben. Antworte mit einer Herausforderung. Das Heer muss sofort aufmarschieren, um Huato zu entsetzen.«
Ansa zweifelte nicht daran, dass der Mann meinte, was er sagte. Auf anderen Gesichtern sah er keine Bereitschaft, einen Krieg zu entfachen. Der Außenminister hob die Hand.
»Lord Floris, teile uns deine Gedanken mit«, forderte ihn die Königin auf.
»Obwohl ich Lord Ulfas zustimme, dass die Gründe Gasams und seiner Frau zweifelhaft sind, würde ich lieber von offenem Streit Abstand nehmen und mich auf Verhandlungen verlassen. Was kann es schaden, einen Botschafter auszusenden, der mit dieser Königin redet und sich nach ihren Plänen erkundigt? Wenn Larissa persönlich anwesend ist, gibt es keinen Grund, an Verrat zu glauben. Bestimmt würde Gasam seine Frau keiner solchen Gefahr aussetzen.«
»Woher sollen wir wissen, ob es wirklich Larissa ist?« fragte der Minister der Kriegsmarine. »Hat schon jemand diese Frau kennen gelernt?«
»Man sagt, sie wäre ausgesprochen schön«,
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