Brüder Des Zorns
hat: Ich könnte mir eine Todfeindin schaffen, wenn ich sie zurückweise. Man sagt Übles von verschmähten Frauen.«
»Mach dir keine Sorgen«, versicherte ihm Fyana. »Du bist ein einfacher Barbar, oder nicht? Teile ihr mit, dass es bei deinem Volk nicht Sitte ist, bei einer schwangeren Frau zu liegen. Schließlich warst du dabei, als ich ihr über ihren Zustand berichtete. Das reicht als Entschuldigung und wird ihren Stolz nicht verletzen. Sieh nicht so unglücklich drein bei dem Gedanken. Sie wird nicht die letzte sein, die dir ihren Körper anbietet.« Wieder verengten sich ihre Augen. »Zweiter Monat. Ich frage mich, wie lange ihr Gemahl abwesend ist.«
»Das muss sie mit ihrem Ehemann ausmachen«, wiederholte Ansa die Worte der Königin. Er fuhr fort, ihr von seinem zweiten Treffen mit Masila und ihren Befürchtungen über Gasams Botschaft zu erzählen.
»Ich verstehe ihre Besorgnis. Bei dem Gedanken, es mit diesem Mann zu tun zu haben, würde es mir nicht anders ergehen. Bisher haben sich der König und seine Ratgeber damit beschäftigt. Jetzt lastet außer der Sorge um die Gesundheit ihres Gemahls auch noch die Regierung auf ihren Schultern. Es wundert mich nicht, dass sie deine Gegenwart wünscht, wenn sie den Brief Gasams vorliest.«
»Ich vermute, sie verdächtigt einen der Ratgeber, Schuld an der Erkrankung des Königs zu sein. Vielleicht möchte sie auch nur, dass ein freundlich gesonnener Mensch anwesend ist.«
»Sie kommt mir aber nicht wie jemand vor, der Fremde rasch ins Vertrauen zieht«, meinte Fyana.
»Ich glaube, sie ist wie jene Kranken, von denen du einst erzähltest«, widersprach Ansa. »Wenn sie verzweifelt sind, glauben sie jedem, der ihnen ein wenig Hoffnung beschert. Für die Königin sind wir die letzte Hoffnung.«
Fyana murmelte zustimmend, aber ihre Lider waren schwer, und innerhalb weniger Augenblicke schlief sie tief und fest in den Kissen versunken ein. Ansa befahl den beiden Dienerinnen, bei Fyana zu wachen, sie aber auf keinen Fall zu wecken. Sie betraten das Schlafzimmer mit dem Gebaren von Fachleuten, denen ein Unwissender gerade versucht hat, ihre Arbeit zu erklären. Ansa zog sich in seinen Raum zurück, um ein wenig zu ruhen. Es gab nichts zu tun, als auf die Aufforderung der Königin zu warten.
KAPITEL DREIZEHN
E in Diener berührte ihn an der Schulter, und Ansa begriff, dass er eingeschlafen sein musste. Das erstaunte ihn, denn er war daran gewöhnt, zwei oder mehr Tage ohne Schlaf auszukommen. Ihm fiel ein, dass er am Nachmittag Wein getrunken hatte. Offenbar war er stärker gewesen, als er angenommen hatte.
»Herr, die Königin schickt nach dir«, sagte der Diener.
»Wie spät ist es?«
»Die zweite Stunde nach Sonnenuntergang.«
Es war noch früh, aber der kurze Schlaf hatte ihn erfrischt. Ansa stand auf, und ein zweiter Diener hielt ihm eine Schüssel mit Wasser entgegen. Er wusch sich das Gesicht und nahm dem dritten Bediensteten das Handtuch ab. In dem großen Spiegel betrachtete er seine Kleidung und entschied, dass sie dem Anlass angemessen war.
Vor der Tür erwartete ihn ein älterer Mann in Livree und verneigte sich tief. »Würdest du mir bitte folgen, Herr?« Ansa nickte und wurde in einen Raum geführt, der unweit des Gemaches lag, in dem sich der kranke Herrscher befand. Gemessen an den anderen Räumlichkeiten des Palastes war dieses Zimmer klein – zwanzig Schritte lang und zehn Schritte breit. An einem Ende stand ein niedriges Podest, auf dem ein Sessel aus dunklem, glänzendem Holz thronte, und entlang der Längsseite zog sich ein Tisch, den eine Gruppe kostbar gewandeter Männer umringte, von denen die meisten alt oder zumindest mittleren Alters waren. Sie sahen erstaunt auf, als Ansa eintrat.
Die meisten Gesichter kamen ihm bekannt vor. Er hatte sie bereits im Schlafgemach des Königs oder in den Gängen erblickt. Lord Osha Kl’an befand sich unter ihnen. Er nickte Ansa zu und stellte sich neben ihn.
»Ich nehme an, Ihre Majestät hat um dein Erscheinen gebeten.«
»So ist es.«
»Darf ich fragen, warum?« Er wirkte nicht ungehalten, nur neugierig. Aber Ansa hütete sich, nur vom Gesichtsausdruck zu urteilen, denn Selbstbeherrschung zählte bei diesen Menschen zu den höchsten Tugenden.
»Sie scheint ausreichende Gründe dafür zu haben.«
»Ganz bestimmt. Ich möchte dir meine Gefährten vorstellen.«
Er stellte die einzelnen Männer mit vollem Namen vor. Die seltsamen Namen flogen nur so an Ansa vorbei, aber die Titel
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