Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
den rötlich gestreiften Himmel. Als er sich wieder umwandte, war sein Ton lebhaft und liebenswürdig. »Entschuldigen Sie. Was für eine Begrüßung. Hauptmann d’Anton, richtig? Von den Cordeliers?«
    »Und Ihr ergebener Bewunderer, General«, sagte d’Anton.
    »Sehr verbunden.« Lafayette betrachtete staunend den breitschultrigen, narbengesichtigen Hünen, den ihm diese neue Welt als Untergebenen beschert hatte. »Ich weiß nicht recht, ob das nötig war, aber ich vermute, Sie tun einfach Ihr – Bestes.«
    »Das hoffentlich gut genug ist«, sagte Hauptmann d’Anton verbissen.
    Für den Bruchteil einer Sekunde durchzuckte den General der Verdacht, dass ihm hier schlicht ein Streich gespielt wurde. »Das ist M. Soulès. Ich identifiziere ihn hiermit in aller Form. M. Soulès genießt unumschränkte Handlungsvollmacht. Ja, natürlich stelle ich ihm eine neue Urkunde aus. Genügt das?«
    »Das genügt vollkommen«, erwiderte prompt der Hauptmann. »Aber Ihr Wort allein genügt mir selbstredend auch, General.«
    »Ich würde jetzt gern heimgehen, Hauptmann d’Anton. Wenn Sie gestatten.«
    Der Hauptmann verstand keinen Sarkasmus. »Schlafen Sie gut«, sagte er. Lafayette drehte sich auf dem Absatz um und dachte: Ja, so ein Salut will offenbar reiflich überlegt sein.
    D’Anton führte seine Streife zurück über den Fluss. In seinen Augen glitzerte es. Gabrielle wartete zu Hause auf ihn. »Wie konntest du nur?«
    »So zeigt man Unternehmungsgeist, oder etwa nicht?«
    »Du hast bloß Lafayette verärgert.«
    »Genau das meine ich.«
    »Die Leute hier mögen solche Spielchen«, sagte Paré. »Ich wette, jetzt werden Sie wirklich Hauptmann der Bürgerwehr, d’Anton. Und Distriktspräsident wahrscheinlich auch. Schließlich kennt Sie jeder.«
    »Einschließlich Lafayette«, sagte d’Anton.
    Nachricht aus Versailles: M. Necker ist wieder im Amt. M. Bailly wird zum Bürgermeister von Paris ernannt. Der Drucker Momoro arbeitet die Nacht durch, um Camilles Pamphlet zu setzen. Bauleute werden geholt, um die Bastille abzureißen. Das Volk trägt sie weg, Stein um Stein, als Andenken.
    Der große Exodus beginnt. Der Prinz von Condé verlässt das Land in solcher Hast, dass Anwaltsrechnungen und einiges mehr unbezahlt bleiben. Der Bruder des Königs, Artois, reist aus, desgleichen die Polignacs, die Günstlinge der Königin.
    Am 17. Juli bricht M. Bailly in einer blumengeschmückten Kutsche von Versailles auf, erreicht um zehn Uhr morgens das Rathaus und macht sich postwendend mit einer Schar von Würdenträgern auf den Rückweg, um zum König zu fahren. Sie kommen bis zur Feuerlöschpumpe von Chaillot – der Bürgermeister, die Wahlmänner, die Garde, die Stadtschlüssel in ihrer Silberschale –, und dort treffen sie auf dreihundert Abgeordnete und die königliche Prozession, die ihnen entgegenziehen.
    »Sire«, sagte Bürgermeister Bailly, »ich bringe Eurer Majestät die Schlüssel zu Ihrer guten Stadt Paris. Es sind dieselben Schlüssel, die Henri IV überreicht wurden – er eroberte einst sein Volk, heute hat das Volk sich seinen König wieder erobert.«
    Es klingt unzart, ist aber nett gemeint. Spontaner Beifall brandet auf. Die Milizsoldaten flankieren den Weg im Dreierspalier. Der Marquis de Lafayette geht vor der Kutsche des Königs her. Böllerschüsse werden abgefeuert. Seine Majestät entsteigt der Kutsche und nimmt von Bürgermeister Bailly die neue dreifarbige Kokarde der Nation in Empfang: dem Rot und Blau ist das Weiß der Monarchie hinzugefügt worden. Er steckt sich die Kokarde an den Hut, und die Menge jubelt ihm zu. (Vor seinem Aufbruch von Versailles hat er sein Testament gemacht.) Unter gekreuzten Schwertern schreitet er die Rathaustreppe empor. Die trunkene Menge schließt ihn ein, umdrängt ihn, versucht ihn zu berühren: Ob er sich wie ein gewöhnlicher Sterblicher anfühlt? »Es lebe der König«, schreien sie. (Die Königin hat nicht damit gerechnet, ihn lebend wiederzusehen.)
    »Lasst sie«, sagt er zu den Soldaten. »Ich glaube, sie lieben mich wirklich.«
    Ein Anschein von Normalität kehrt zurück. Die Geschäfte öffnen wieder. Ein klappriger, verhutzelter Greis mit langem weißem Bart wird im Triumphzug durch die Stadt kutschiert und winkt den vielen zu, die sich immer noch in den Straßen herumtreiben. Sein Name ist Major Whyte – ein Engländer, vielleicht auch ein Ire –, und niemand weiß, wie lange er in der Bastille eingesperrt war. Er scheint die Aufmerksamkeit zu

Weitere Kostenlose Bücher