Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
ganzen bangen Stunden hindurch dicht am Herzen getragen hatte.
    »Wie soll ich das bei dem Licht hier lesen?« Er hörte, wie Papier zerknüllt wurde. »So«, sagte der Brustkorb gönnerhaft. »Ich bin Hauptmann d’Anton vom Cordeliers-Bataillon der Bürgerwehr, und ich verhafte Sie, weil Sie mir wie ein höchst verdächtiges Subjekt vorkommen. Bürger, tut eure Pflicht.«
    Soulès öffnete den Mund.
    »Schreien nützt Ihnen gar nichts. Ich habe die Wachen gesehen. Sie sind betrunken und schlafen wie Tote. Wir nehmen Sie mit in unser Distrikts-Hauptquartier.«
    Soulès spähte ins Dunkel. Es standen mindestens vier bewaffnete Männer hinter Hauptmann d’Anton, und in den Schatten warteten vielleicht noch mehr.
    »Bitte denken Sie nicht an Widerstand.«
    Die Stimme des Hauptmanns klang kultiviert und präzise. Ein schwacher Trost. Nicht den Kopf verlieren, befahl Soulès sich ingrimmig.
    Sie läuteten die Sturmglocke von Saint-André-des-Arts. Binnen Minuten strömten hundert Leute auf die Straße. Ein munteres Viertel, wie d’Anton schon immer gesagt hatte.
    »Man kann nicht vorsichtig genug sein«, sagte Fabre. »Vielleicht sollten wir ihn erschießen.«
    Soulès wiederholte ein ums andere Mal: »Ich verlange, zum Rathaus gebracht zu werden.«
    »Sie verlangen hier gar nichts«, sagte d’ Anton. Dann schien ihm ein Gedanke zu kommen. »Also gut. Rathaus.«
    Es wurde eine ereignisreiche Fahrt. Sie mussten einen offenen Wagen nehmen, etwas anderes gab es nicht. Es waren schon (oder noch) Menschen unterwegs, für die feststand, dass die Nachbarn aus dem Cordeliers-Distrikt Hilfe brauchten. Sie rannten neben dem Wagen her und riefen: »Hängt ihn auf.«
    Als sie ankamen, sagte d’Anton: »Es ist genau, wie ich dachte. Die Stadt wird von dem regiert, der kommt und das Heft in die Hand nimmt.« Seit einigen Wochen schon bezeichnete sich eine inoffizielle Gruppe von Wahlmännern als Commune oder Stadtrat; angeführt wurde sie von M. Bailly von der Nationalversammlung, der den Wahlen in Paris vorgestanden hatte. Zwar hatte es bis gestern einen vom König eingesetzten Stadtvogt von Paris gegeben, aber die Menge hatte ihn ermordet, kaum dass sie mit de Launay fertig war. Wer lenkte jetzt die Geschicke der Stadt? Wer hatte das Siegel, die Stempel? Solche Fragen mussten offenbar untertags geklärt werden. Der Marquis de Lafayette, erfuhren sie von einem Beamten, sei heimgegangen und schlief.
    »Eine schöne Zeit, um zu schlafen. Holen Sie ihn her. Wie soll denn das aussehen? Eine Bürgerpatrouille steht nachts aus dem Bett auf, um die Bastille zu inspizieren, die für einen gewaltigen Blutzoll den Tyrannen entrissen worden ist, und was findet sie? Sturzbetrunkene Wachen und diesen Menschen hier, der für nichts eine Erklärung hat, aber behauptet, zuständig zu sein.« Er wandte sich zu seiner Patrouille um. »Jemand sollte dem Volk Rechenschaft ablegen. Die Skelette zählen, alles das. Wer weiß, vielleicht sind ja sogar noch hilflose Opfer in ihren Verliesen festgekettet.«
    »Oh, da geht keiner ab«, sagte der Beamte. »Es waren nur sieben Gefangene da, müssen Sie wissen.«
    Trotzdem, dachte d’Anton, leer war der Bau sicher nicht. »Und was ist mit ihren Sachen?«, fragte er. »Ich habe von einem Billardtisch gehört, der vor zwanzig Jahren hineingewandert und nie wieder zum Vorschein gekommen ist.«
    Gelächter von den Männern hinter ihm. Der Beamte starrte ihn in ausdrucksloser Erbitterung an. D’Antons Aufgekratztheit legte sich schlagartig. »Holen Sie Lafayette«, befahl er.
    Jules Paré, von seinen Kanzlistenpflichten entbunden, grinste in die Dunkelheit. Auf der Place de Grève flackerten Lichter. M. Soulès’ Blick zog es unaufhaltsam zur lanterne – einer langen eisernen Strebe im Mauerwerk, von der eine Lampe hing. Genau dort war nur wenige Stunden zuvor der abgehackte Kopf des Marquis de Launay von der Menge herumgestoßen worden wie ein Fußball. »Beten Sie, M. Soulès«, riet ihm d’Anton freundlich.
    Als Lafayette erschien, dämmerte es schon. Enttäuscht sah d’Anton, dass seine Aufmachung tadellos war; allerdings wies sein frisch rasiertes Gesicht entlang der Backenknochen eine leichte Rötung auf.
    »Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?«
    »Fünf Uhr?«, schlug d’Anton hilfreich vor. »So in etwa? Ich dachte immer, als Soldat wäre man zu jeder Tag- und Nachtzeit einsatzbereit.«
    Lafayette drehte sich einen Moment lang weg. Er ballte die Fäuste und schickte einen Blick hinauf in

Weitere Kostenlose Bücher