Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
oder nicht. Robespierre war dagegen. Mirabeau war dafür – oder konnte sich vorstellen, dafür zu sein, sofern der Preis stimmte. Sie sprachen darüber, wie diese Dinge in England gehandhabt wurden; Robespierre korrigierte ihn zügig, fast ein wenig belustigt, Mirabeau ließ es sich gefallen, taute ihn auf, und als er mit einem akkuraten dreieckigen Lächeln belohnt wurde, durchströmte ihn eine geradezu absurde Erleichterung.
Elf Uhr: Das rabiate Lamm entschuldigte sich, schlüpfte aus dem Zimmer. Er muss pissen wie andere Sterbliche auch – immerhin etwas. Mirabeau fühlte sich seltsam, ungewohnt nüchtern, ungewohnt kalt. Er sah über den Tisch zu einem seiner Genfer. »Dieser junge Mann wird es weit bringen«, sagte er. »Er glaubt jedes Wort, das er sagt.«
Brulard de Sillery, Graf von Genlis, stand auf, gähnte, streckte sich. »Danke, Mirabeau. So, langsam sollten wir ernst machen mit dem Trinken. Camille, kommen Sie mit?«
Die Einladung war scheinbar allgemein gehalten. Sie schloss zwei Männer aus: die Kerze von Arras (derzeit nicht mit im Raum befindlich) und die Fackel der Provence. Die Genfer schlossen sich selbst aus – sie standen auf, verneigten sich, wünschten eine gute Nacht, begannen ihre Servietten zusammenzufalten und ihre Hüte zu nehmen, rückten ihre Halsbinden zurecht, zupften an ihren Strümpfen. Schlagartig verabscheute Mirabeau sie. Er verabscheute ihre Gehröcke aus grauer Seide, ihre Penibilität und ihre kriecherische Zuvorkommenheit, er wollte ihnen die Hüte über die Augen ziehen und in die Nacht hinausstürmen, einen kameradschaftlichen Arm um seinen Putzmacher-Jungen gelegt und den anderen um einen Erfolgsautor. Ein seltsamer Drang, näher betrachtet, denn wenn er jemanden nicht ausstehen konnte, dann Laclos, und wenn er mit jemandem nicht betrunken werden wollte, dann mit Camille. Aber wenn man einen wohlerzogenen, abstinenten Abend damit verbracht hatte, sich Maximilien Robespierre gefügig zu machen, dann ging die Fantasie eben mit einem durch.
Bis Robespierre zurückkam, würde der Raum sich geleert haben. Dann blieb ihnen nur, einen trockenen kleinen Händedruck auszutauschen. Pass auf dich auf, Kerze. Stell keinen Unsinn an, Fackel.
An den Karten führte kein Weg vorbei; andernfalls würde de Sillery nie ins Bett gehen. Nachdem er seine Pechsträhne nach Kräften ausgekostet hatte, lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und brach in Gelächter aus. »Mr. Miles und die Elliots wären fuchsteufelswild, wenn sie wüssten, wofür ich das Geld des englischen Königs ausgebe.«
»Im Zweifelsfall wissen sie ziemlich genau, wofür Sie es ausgeben.« Laclos mischte. »Sie gehen nicht davon aus, dass Sie es wohltätigen Zwecken zukommen lassen.«
»Wer ist Mr. Miles?«, fragte Camille.
Laclos und de Sillery wechselten einen Blick. »Sagen Sie es ihm ruhig«, meinte Laclos. »Camille soll doch nicht leben wie ein sorgloser König, der gar nicht erst fragt, wo sein Geld herkommt.«
»Es ist etwas kompliziert.« De Sillery seufzte und legte sein Blatt verdeckt auf den Tisch. »Sie kennen Mrs. Elliot, die liebreizende Grace? Zweifellos haben Sie sie durch die Stadt flirren sehen, immer auf der Jagd nach politischem Klatsch und Tratsch. Das macht sie, weil sie für die englische Regierung arbeitet. Ihre diversen Liebschaften haben sie in diese interessante Position gebracht. Sie war die Geliebte des Prinzen von Wales, ehe Philippe sie nach Frankreich holte. Jetzt ist natürlich Agnès de Buffon die neue Geliebte – meine Frau Félicité kümmert sich um diese Dinge –, aber Grace und der Herzog verstehen sich immer noch prächtig. So«, er hielt inne, rieb sich mit müder Gebärde die Stirn, »Mrs. Elliot hat zwei Schwäger, Gilbert und Hugh. Hugh lebt in Paris, Gilbert kommt alle paar Wochen zu Besuch. Und es gibt noch einen anderen Engländer, mit dem sie verkehren, einen Mr. Miles. Sie sind alle Agenten für das britische Außenministerium. Sie sind hier, um die Geschehnisse zu beobachten, Berichte darüber abzufassen und uns mit Geld zu versorgen.«
»Gut gesagt, Charles-Alexis«, bemerkte Laclos. »Bewunderungswürdig luzide. Noch etwas Bordeaux?«
Camille fragte: »Warum?«
»Weil die Engländer hochinteressiert an unserer Revolution sind«, sagte de Sillery. »Doch, sicher, Laclos, schieben Sie die Flasche rüber. Man könnte meinen, sie möchten, dass wir in den Genuss eines Parlaments und einer Verfassung wie der ihren kommen, aber das ist es gar nicht: Sie sind
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