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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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nein. Ich verrichte doch nicht seine Schmutzarbeit.«
    Und er dachte: Wir in diesem Distrikt könnten unsere eigenen Gesetze machen. Ich bin vielleicht nicht der Bataillonskommandeur, aber der Bataillonskommandeur tanzt nach meiner Pfeife.
    Camille erschien, atemlos und in Hochstimmung. »Es könnte sich nicht besser anlassen«, sagte er. »In Toulouse ist mein neues Pamphlet vom Scharfrichter verbrannt worden. Ist das nicht zuvorkommend – damit ist mir die zweite Auflage sicher. Und in Oléron wurde eine Buchhandlung, die es verkauft, von Mönchen überfallen, und sie haben die gesamte Ware weggeworfen und in Brand gesteckt und den Buchhändler in Stücke geschnitten.«
    »Finden Sie das etwa lustig?«, sagte Gabrielle.
    »O nein. Tragisch.«
    Eine Töpferei bei Paris bot dickwandiges Tongeschirr mit seinem Konterfei in grellem Gelb und Blau feil. Das hast du davon, wenn du eine Person des öffentlichen Lebens wirst: Die Leute kratzen ihr Essen aus deinem Gesicht.
    Kein Lüftchen regte sich, als sie die neue Fahne hissten; sie hing an ihrem Mast herab wie eine schlaffe dreifarbige Zunge. Gabrielle stand zwischen ihren Eltern. Ihre Nachbarn, die Gélys, standen links von ihr, die kleine Louise in einem neuen Hut, auf den sie unsäglich stolz war. Sie war sich der Blicke bewusst, mit denen die Leute sie maßen: Da, raunten sie sich zu, das ist die Frau von d’Anton. »Wie hübsch sie ist«, hörte sie jemanden sagen, »haben sie Kinder?« Sie sah zu ihrem Mann empor, der auf den Stufen zur Kirche stand, so viel imposanter mit seiner Ringerstatur als dieser Ladestock Lafayette. Sie begann ein wenig Verachtung für den General zu verspüren, einfach weil ihr Mann ihn verachtete. Wie höflich die zwei miteinander umgingen. Jetzt schwenkte der Bataillonskommandeur seinen Hut durch die Luft, das Signal für die Hochrufe. Die Zuschauer jubelten, der General dankte es ihnen mit seinem sparsamen Lächeln. Sie senkte die Lider, um die Sonne auszusperren. Hinter sich hörte sie Camilles Stimme; er redete mit Louise Robert, geradeso, als wäre sie ein Mann. Die Abgeordneten aus der Brétagne, sagte er, und: die Initiative in der Versammlung. Ich wollte nach Versailles, sowie die Bastille eingenommen war – Mme Robert pflichtete ihm murmelnd bei –, aber es müsste so schnell wie möglich passieren. Er plant schon den nächsten Aufruhr, dachte sie: die nächste Bastille. Dann in ihrem Rücken ein Ruf: »Vive d’Anton.«
    Erstaunt und beglückt drehte sie sich um. Der Ruf wurde aufgenommen. »Das sind jetzt nur ein paar Cordeliers«, sagte Camille entschuldigend. »Aber bald wird es die ganze Stadt sein.«
    Einige Minuten später war die Zeremonie vorbei, die Feier konnte beginnen. Georges tauchte ein in die Menge, den Arm um Gabrielle gelegt. »Weißt du, was ich mir überlegt habe?«, sagte Camille. »Du solltest den Apostroph weglassen. Er passt nicht in die Zeit.«
    »Stimmt eigentlich«, sagte ihr Mann. »Ich ändere es nach und nach – wozu es groß ankündigen?«
    »Nein, mach es von heute auf morgen«, sagte Camille. »Damit jeder merkt, wo du stehst.«
    »Quälgeist«, sagte Georges-Jacques liebevoll. Jetzt erwacht sie bei ihm auch schon, diese Lust an der Konfrontation. »Macht es dir etwas aus?«, fragte er sie.
    »Du musst das tun, was du für das Beste hältst«, sagte sie. »Das, was du für richtig hältst.«
    »Und wenn es nicht das Gleiche wäre?«, fragte Camille. »Das, was er für das beste hält, und das, was er für richtig hält, meine ich.«
    »Aber es muss ja das Gleiche sein«, wandte sie ein, verwirrt. »Schließlich ist er ein guter Mensch.«
    »Wie tiefsinnig. Er wird Sie noch verdächtigen, Ihr Hirn zu gebrauchen, wenn er aus dem Haus ist.«
    Camille hatte den gestrigen Tag in Versailles verbracht und am Abend mit Robespierre eine Sitzung des Bretonischen Clubs besucht. Der Club war jetzt das Forum für die liberalen unter den Abgeordneten, die sich für einen volksnäheren Kurs stark machten und auf Distanz zum Hof gingen. Auch einige Adlige frequentierten ihn; der Taumel des 4. August war hier sorgfältig kalkuliert worden. Nicht-Abgeordnete waren willkommen, sofern ihr Patriotismus außer Zweifel stand.
    Und wessen Patriotismus konnte mehr außer Zweifel stehen als seiner? Robespierre drängte ihn, das Wort zu ergreifen. Aber er war nervös, er konnte sich kaum Gehör verschaffen. Das Stottern nahm überhand. Die Zuhörer hatten wenig Geduld mit ihm. Für sie war er ein Einpeitscher, ein

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