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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Bilderbucharistokrat mit seiner schmalen, gebogenen Nase und dem fein geschnittenen roten Mund. »Der Laternenanwalt«, wisperte Fanny. »Sagen Sie es nicht gleich weiter. Nicht allen auf einmal.«
    Dillon musterte ihn. »Wie Erwartungen doch trügen können.« Fanny glitt weiter, ein Wölkchen Parfümduft hinter sich zurücklassend. Dillons Blick war jetzt scharf, hellwach. »Tempora mutantur …«, murmelte er. Er legte eine Hand auf Camilles Schulter, nahm ihn in Gewahrsam. »Kommen Sie, ich stelle Sie meiner Frau vor.«
    Laure Dillon lagerte auf einer Chaiselongue. Sie trug ein weißes, mit Silber besetztes Musselinkleid und dazu einen Turban aus weiß-silberner Gaze. In die Polster zurückgelehnt, frönte sie ihrer kleinen Marotte: Sie hatte stets einen Kerzenstummel bei sich, und wenn sie nicht anderweitig beschäftigt war, knabberte sie daran.
    »Meine Liebe«, sagte Dillon, »hier ist der Laternenanwalt.«
    Laure machte eine unwillige Bewegung. »Wer?«
    »Der das Volk zum Sturm auf die Bastille aufgehetzt hat. Der die Leute reihenweise aufknüpfen und ihnen die Köpfe abschlagen lässt und, und, und.«
    »Oh.« Laure sah auf. Die Silberreifen ihrer Ohrgehänge fingen schaudernd das Licht ein. Ihre schönen Augen wanderten an ihm auf und ab. »Niedlich«, sagte sie.
    Arthur stieß ein Lachen aus. »Nicht sehr politisch eingestellt, meine Frau.«
    Laure löste ihre weichen Lippen von dem warmen Wachsstumpen. Sie seufzte, liebkoste abwesend das Band an ihrem Halsausschnitt. »Besuchen Sie uns zum Essen«, sagte sie.
    Als Dillon ihn auf die andere Seite des Zimmers zurücksteuerte, fiel Camilles Blick auf seine scharfen, düster-bleichen Züge im Spiegel. Die Uhren schlugen elf. »Bald Zeit zum Abendessen«, sagte Dillon. Er wandte sich um und sah auf dem Gesicht des Laternenanwalts einen geradezu herzzerreißend ratlosen Ausdruck. »Schauen Sie nicht so drein«, sagte er ernsthaft. »Sie besitzen jetzt Macht . Das ist eine große Umstellung.«
    »Ich weiß. Ich kann mich nur nicht daran gewöhnen.«
    Überall begegnete er jetzt dieser verdeckten Musterung, den gesenkten Stimmen, den Blicken über die Schulter. Welcher? Der da? Im Ernst?
    Nur Minuten später beobachtete der General ihn, umringt von einer Damenschar. Jetzt war seine Identität eindeutig kein Geheimnis mehr. Ihre Wangen glühten, ihre Münder standen leicht offen, seine bloße Nähe brachte ihren Puls ins Flattern. Kein erhebender Anblick, dachte der General, aber so sind die Weiber nun mal. Vor drei Monaten hätte ihn keine auch nur eines Blickes gewürdigt.
    Der General war ein gütiger Mann. Etwas an Camille weckte väterliche Gefühle in ihm, und von diesem Abend an – in Abständen, über die nächsten fünf Jahre hinweg – machte er sich Gedanken um ihn. So widersinnig es schien: Wenn er den Laternenanwalt sah, wollte er ihn beschützen.
    Sollte der König gegen die Beschlüsse der Nationalversammlung ein Veto einlegen können?
    »Mme Veto«, so lautete der neue Name der Königin auf den Straßen.
    Ohne ein Veto, sagte Mirabeau dunkel, könne man gleich nach Konstantinopel auswandern. Aber da die Pariser eisern gegen das Veto waren (die meisten hielten es für eine neue Steuer), schusterte Mirabeau für die Versammlung eine Rede zusammen, die nicht Fisch und nicht Fleisch war, weniger das Werk eines Staatsmannes als das eines Verrenkungskünstlers auf einem Jahrmarkt. Heraus kam ein Kompromiss: Der König wurde mit der Macht ausgestattet, die Gesetzgebung zwar nicht zu blockieren, aber doch hinauszuzögern. Niemand war zufrieden.
    Die Verwirrung in der Öffentlichkeit nahm zu. Ein Straßenredner in Paris: »Erst eine Woche haben die Adligen ihre Vetos, und schon kaufen sie damit alles Korn auf und schaffen es ins Ausland. Deshalb haben wir kein Brot.«
    OKTOBER : Niemand wusste zu sagen, ob der König Widerstand erwog oder die Flucht. Auf jeden Fall wurden neue Regimenter nach Versailles beordert, und als das Flandrische Regiment eintraf, hielt die Leibgarde des Königs ein Willkommensbankett im Palast ab.
    Es war eine protzige Veranstaltung bar jeden Takts – wobei die Pamphletisten selbst ein Picknick im Park schon als Bacchanal gegeißelt hätten.
    Als der König mit seiner Gattin und dem kleinen Dauphin erschien, ließen ihn grölende Soldatenstimmen hochleben. Das Kind wurde auf den Tisch gehoben und stapfte lachend darauf herum. Man stieß auf die Verwirrung der Rebellen an. Die blau-weiß-rote Kokarde wurde auf den Boden geworfen

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