Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
– Camille zögerte – »ich glaube, sie verbrennen die Leichen.«
    »Es lebe die Republik«, sagte Vergniaud. Er wandte sich um und ging zum Podium des Präsidenten.

FÜNFTER TEIL
Der Terror ist nichts anderes als die unmittelbare, strenge und unbeugsame Gerechtigkeit; er ist also Ausfluss der Tugend; er ist weniger ein besonderer Grundsatz als vielmehr die Folge des allgemeinen Grundsatzes der Demokratie, angewandt auf die dringendsten Bedürfnisse des Vaterlandes … Die Revolutionsregierung ist der Despotismus der Freiheit gegen die Tyrannei.
    Maximilien Robespierre
     
     
Kurz gesagt, der natürliche Tod eines berühmten Mannes war unter diesen Regierungen eine solche Seltenheit, dass er amtlich bekannt gegeben und von den Geschichtsschreibern an die Nachwelt überliefert wurde. Der Chronist berichtet von einem Konsulat, während dessen es einen Pontifex namens Pisonius gab, der in seinem Bett starb; das wurde als Wunder erachtet.
    Camille Desmoulins

1. Verschwörer
    (1792)
    »Schwiegervater!« Camille stößt einen Jubelruf aus. Er deutet auf Claude. »Seht ihr«, fordert er die Umstehenden auf, »man soll nie etwas wegschmeißen. Jedes Ding, gleich wie abgenutzt oder altmodisch, kann sich irgendwann noch als nützlich erweisen. Also, Bürger Duplessis, sage Er mir in kurzen einfachen Sätzen, freien Rhythmen oder Knittelversen, wie man ein Ministerium leitet.«
    »Das übertrifft meine schlimmsten Alpträume«, sagt Claude.
    »Oh, sie haben mir noch kein eigenes Ministerium gegeben, das denn doch nicht – da müssen erst ein paar mehr Katastrophen her, ehe es so weit kommt. Nein, die frohe Botschaft lautet, dass Danton Justizminister und Großsiegelbewahrer ist, und Fabre und ich sind seine Staatssekretäre.«
    »Ein Schauspieler«, sagte Claude. »Und Sie. Ich mag Danton nicht. Aber er hat mein Beileid.«
    »Danton steht an der Spitze der Interimsregierung, deshalb muss ich versuchen, das Ministerium für ihn zu leiten, Fabre ist zu wurstig. Oh, ich muss es meinem Vater schreiben, gebt mir rasch einen Briefbogen. Nein, halt, ich schreibe ihm vom Ministerium aus, ich werde hinter meinem großen Schreibtisch sitzen und es unter Verschluss schicken.«
    »Claude«, sagt Annette, »wo bleiben deine Manieren? Gratuliere ihm.«
    Claude schaudert. »Eine Anmerkung nur. Eine Formalität. Der Justizminister ist gleichzeitig der Großsiegelbewahrer, aber er ist eine Person, nicht zwei. Deshalb hat er auch nur den einen Staatssekretär. Immer schon.«
    »Paragraphenreiterei!«, sagt Camille. »Da steht Georges-Jacques drüber! Wir übersiedeln an die Place Vendôme! Wir werden in einem Palast wohnen!«
    »Lieber Vater, nimm es doch nicht so schwer«, bittet Lucile.
    »Nein, du verstehst nicht«, erklärt ihr Claude. »Er ist jetzt arriviert, er ist die herrschende Macht. Wer auch immer ab jetzt eine Revolution anzetteln will, muss sie gegen ihn anzetteln.«
    Claude fühlt noch weniger Boden unter den Füßen als an dem Tag, an dem die Bastille fiel. Aber seine Äußerung bringt auch Camille aus dem Tritt: »Das stimmt nicht. Uns stehen noch haufenweise prächtige Schlachten bevor! Wir müssen Brissots Leute aus dem Feld schlagen!«
    »Und für Schlachten sind Sie immer zu haben, richtig?«, sagt Claude. Flüchtig stellt er sich eine andere Welt vor – eine Welt, in der er im Café sitzt und ein »mein Schwiegersohn, der Staatssekretär« in die Unterhaltung einflicht. Aber die Realität ist doch, dass sein Leben sinnlos geworden ist: Dreißig Jahre hingebungsvoller Pflichterfüllung haben ihm nie engere Bekanntschaft mit einem Staatssekretär beschert, und nun wird sie ihm aufgezwungen, durch sein verrücktes Weibervolk und das verrückte Leben, das sie sich ausgesucht haben. Sieh sie dir an, wie sie sich herandrängeln, um den Staatssekretär abzuküssen! Er könnte natürlich auch hingehen und ihm den Kopf tätscheln; wie oft hat er ihn nicht gebeugten Hauptes sitzen sehen, derweil ihm der angehende Minister während einer seiner politischen Tiraden mit seinen Würgerfingern die Locken krault? Gedenkt der Minister das auch vor seinen Beamten zu tun? Claude fällt es nicht schwer, von solchen Zuneigungsbekundungen abzustehen. Düster betrachtet er seinen Schwiegersohn. Schau ihn an, wie er da sitzt – möchte man ihm nicht am liebsten Gewalt antun? Die langen Wimpern hat er niedergeschlagen, den Blick auf den Teppich gesenkt. Was denkt er? Ist es irgendetwas auch nur entfernt eines Staatssekretärs

Weitere Kostenlose Bücher