Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
sich der Meinung dieses Unentbehrlichen zu unterwerfen.
»Ich hoffe, ich kann auf Ihre Hilfe zählen?«, sagte er.
»Selbstverständlich, Georges-Jacques.«
Sehr ernst saß er da, sehr aufmerksam: unüberbietbar er selbst an diesem Morgen, an dem doch alle verändert hätten aufwachen sollen. »Ausgezeichnet«, sagte Georges-Jacques. »Dann übernehmen Sie einen Posten im Ministerium?«
»Es tut mir leid, aber das geht nicht.«
»Was soll das heißen, es geht nicht? Ich brauche Sie. Gut, Sie haben die Jakobiner, Sie haben einen Sitz in der neuen Kommune, aber jeder von uns muss …« Der neue Minister brach ab und ballte zupackend die riesigen Fäuste.
»Falls Sie jemanden suchen, der den Verwaltungsdienst leitet, wäre François Robert ein guter Griff.«
»Unbedingt.« Hast du geglaubt, dachte Danton, ich wollte einen Funktionär aus dir machen? Gott bewahre – ich will dir einen hochbezahlten, aber höchst inoffiziellen Posten antragen, als mein politischer Berater, mein drittes Auge, mein drittes Ohr. Wo liegt also das Problem? Gehörst du vielleicht zu den Leuten, die nur für die Opposition geschaffen sind, nicht fürs Regieren? Ist das der Grund? Oder willst du ganz einfach nicht unter mir arbeiten?
Robespierre sah auf, ein Blick, der den seines Dienstherrn-in-spe nur eben streifte. »Bin ich entschuldigt?« Er lächelte.
»Ganz wie Sie wünschen.« So oft wird ihm dieser Tage sein pseudokultiviertes Juristennäseln bewusst, dieses Juristennäseln samt der entsprechenden Wortwahl – und dann seine andere Stimme, die für das Volk, die nicht minder ein Kunstprodukt ist. Robespierre hat nur eine Stimme, eher klanglos, unemphatisch, normal; wann hätte er je den Drang verspürt, irgendetwas vorzutäuschen? »Aber jetzt, in der Kommune, da könnten Sie doch Hand anlegen?« Er versuchte, es wie einen Vorschlag klingen zu lassen. »Fabre ist Mitglied, er wird jeden Ihrer Befehle befolgen.«
Robespierre wirkte belustigt. »Ich habe nicht unbedingt Ihre Lust am Befehlen.«
»Ihr erstes Problem ist die Familie Capet. Wo wollen Sie sie unterbringen?«
Robespierre betrachtete seine Fingernägel. »Es gibt den Vorschlag, sie im Palast des Justizministers unter Bewachung zu stellen.«
»Ach ja? Damit ich die Staatsgeschäfte von einem Dachstübchen oder vielleicht der Besenkammer aus tätigen kann?«
»Ich habe gesagt, dass Sie nicht begeistert sein werden.« Robespierre schien daran gelegen, seinen Verdacht bestätigt zu sehen.
»Warum sperrt man sie nicht im Temple ein?«
»Ja, so sieht die Kommune das auch. Ein bisschen hart für die Kinder, nach allem, was sie bisher gewohnt waren.« Maximilien, dachte Danton, warst du selbst jemals ein Kind? »Aber es soll ihnen ja leidlich bequem gemacht werden, wie ich höre. Sie sollen im Garten herumlaufen dürfen. Vielleicht hätten die Kinder auch gern einen kleinen Hund, den sie spazieren führen können?«
»Fragen Sie mich nicht, was sie gern hätten«, knurrte Danton. »Woher zum Teufel soll ich das wissen? Außerdem gibt es Dringlicheres zu bedenken als die Capets. Wir müssen die Stadt in den Kriegszustand versetzen. Wir brauchen Durchsuchungsrechte, Requirierungsrechte. Wir müssen sämtliche Royalisten ausheben, die noch bewaffnet sind. Die Gefängnisse sind jetzt schon voll.«
»Das lässt sich nicht vermeiden. Unsere Gegner von letzter Woche … klassifizieren wir doch wohl als Kriminelle, oder? Sie müssen irgendeinen Status haben, wir müssen sie irgendwie definieren. Und wenn sie angeklagt werden, müssen wir ihnen einen Prozess zugestehen – was insofern nicht ganz leicht sein dürfte, als ich mir nicht sicher bin, was ihr Verbrechen sein soll.«
»Ihr Verbrechen ist, nicht mit der Zeit mitgegangen zu sein«, sagte Danton. »Und natürlich bin ich juristisch nicht so unbedarft, dass mir nicht klar wäre, dass uns ein normales Gerichtsverfahren nicht weiterhilft. Ich bin für ein eigenes Tribunal. Stehen Sie als Richter zur Verfügung? Aber besprechen wir das alles nachher. Erst müssen die Provinzen von den Geschehnissen in Kenntnis gesetzt werden. Irgendwelche Vorschläge?«
»Die Jakobiner denken an eine vorab vereinbarte …«
»Darstellung?«
»Wenn Sie es so nennen wollen? Gut, ja … Die Menschen müssen erfahren, was passiert ist. Camille wird sie abfassen. Der Club wird sie herausbringen und in der Nation bekannt machen.«
»Auf Darstellungen versteht sich Camille.«
»Und dann müssen wir vorausdenken zu den Neuwahlen. Unter den
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