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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Stadt noch heute Abend.«
    Sie setzte sich. Sie bekam eine Tasse heiße Schokolade mit einem Klecks Sahne darauf gebracht. Sie sagte: »Das tut jetzt gut.« Der cremige Geschmack besänftigte ihre Kehle, die Kehle, in der die Worte erstorben waren.
    »Hast du verstanden?«, sagte er. »Dies ist nicht die Zeit für falsches Heldentum, kein Sturm, den man abwettern muss. Mir bleibt keine Wahl, als mich in Sicherheit zu bringen, falls es eines künftigen Tages nötig werden sollte, dass ich in mein Amt zurückkehre. Wenn ich der Nation von Nutzen sein soll, muss ich auf meine Rettung bedacht sein, verstehst du das?«
    »Ja. Ich muss heute Abend in den Konvent zurück.«
    »Aber Manon – denk an dein Wohl, denk an das Wohl unseres Kindes …«
    Sie stellte die Tasse ab. »Wie seltsam«, sagte sie, »es ist noch nicht spät, und doch fühlt es sich so an.« Ihrer beider Leben schienen rings um sie fortgeschoben zu werden wie Kulissen. Es war, als zögen sie aus einem Haus aus – die Möbelpacker waren fertig, und sie standen allein auf den nackten Dielen, im Staub, den sie aufgerührt hatten, und nur in einer Ecke lag noch eine vergessene Tasse mit einem Sprung. Oder als wären sie die letzten Gäste in einem Café, in dem schon mahnend die Uhren schlugen und die Kellner sich räusperten, damit sie endlich zu reden aufhörten und zahlten und hinausgingen auf die kalte Straße. Mit einer einzigen fließenden Bewegung erhob sie sich und trat vor ihn. Er hielt ganz still. Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange, spürte mit den Lippen den Knochen unter der Haut.
    »Hast du mich betrogen?«, fragte er. »Oh, hast du mich betrogen?«
    Einen Augenblick lang legte sie ihm den Finger an die Lippen, ganz sacht, drückte dann ihre Wange an seine, wobei ihr flüchtig der abgestandene Atem des Lungenkranken in die Nase stieg. »Niemals«, sagte sie. »Pass gut auf dich auf. Meide Alkohol und alles Fleisch, es sei denn, es ist völlig gar gekocht. Trink keine Milch, die irgendwie verunreinigt sein könnte. Iss ein wenig gedünsteten weißen Fisch. Wenn du dich aufregst, trink einen Baldriantee. Pack dich am Hals und an der Brust schön warm ein und geh nicht durch den Regen. Trink etwas Warmes, bevor du zu Bett gehst. Schreib mir.«
    Sie schloss leise die Tür hinter sich. Sie würde ihn nicht wiedersehen.

8. Unvollkommene Reue
    (1793)
    »Da waren wir wohl etwas, sagen wir, inkonsequent in unserer Zielsetzung«, sagte Danton. »Hausarrest reicht nicht aus, das wissen wir jetzt. Gut, die kleine Madame haben wir, aber lieber wären mir ihr Mann und Buzot und ein paar von den anderen, die jetzt unterwegs in ihre gemütlichen Schlupflöcher in der Provinz sind.«
    »Ins Exil«, verbesserte Robespierre ihn. »In die Vogelfreiheit. Ich würde das Flüchtlingsdasein nicht unbedingt gemütlich nennen. So oder so sind sie weg.«
    »Um Unfrieden zu stiften.«
    »Die Unruhestifter in den Provinzen sind hauptsächlich Royalisten.« Robespierre begann zu husten. »Verflixt.« Er tupfte sich mit seinem Taschentuch die Lippen. »Und die meisten unserer flüchtigen Girondisten sind Königsmörder. Trotzdem, sie werden sicher ihr Möglichstes tun.«
    Danton fluchte im Stillen. Bei Robespierre musste er immer um den richtigen Ton ringen, aber was war dieser Tage schon richtig? Man appellierte an den Kämpfer in ihm – von Robespierre ein vorwurfsvoller Pazifisten-Blick. Man appellierte an den Idealisten – und hatte plötzlich den aufgeräumten, glatten Berufspolitiker vor sich. Man sprach von Mitteln, und Robespierre redete vom Zweck; man sprach vom Zweck, und Robespierre kam einem mit den Mitteln. Was immer man als gegeben ansah, galt nicht; man griff seine Argumente vom Vortag auf, und Robespierre haute sie einem um die Ohren. Wie hatte Mirabeau immer geklagt? Er glaubt jedes Wort, das er sagt. Ob es wohl einen Ort in Robespierres Inneren gab, irgendeine Schicht ganz tief unten, wo all die Widersprüche versöhnt waren?
    Brissot versuchte in seine Heimatstadt Chartres und von da in den Süden zu gelangen, Pétion und Barbaroux waren auf dem Weg nach Caen in der Normandie.
    »Dieser Dachboden, auf dem Sie hier hausen …«, sagte Danton zu dem Priester. Er war irritiert. Nach seiner Erfahrung achtete der Klerus sehr auf Bequemlichkeit.
    »Jetzt, wo der Winter vorbei ist, lebt es sich hier nicht schlecht. Und besser als im Gefängnis allemal.«
    »Ach, Sie waren im Gefängnis?« Der Priester antwortete nicht. »Aber

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