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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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wider Willen zum Hemmnis für die Revolution wirst. Und dass du dann vorbereitet bist.«
    »Ja, innerlich vorbereitet – ich meine, ein bisschen Demut schadet keinem von uns, aber doch nicht so, dass ich meine Angelegenheiten schon dahingehend regle. Uns bleibt – nein, uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als Danton nach unserem besten Vermögen von gefährlichen Verstrickungen fernzuhalten.«
    »Eine sofortige Scheidung ist nicht drin, fürchte ich.«
    Robespierre lächelte. »Wo sind sie heute?«
    »Bei Gabrielles Eltern in Sèvres. Alles ganz wunderbar herzlich und innig. Und sie werden ein Häuschen haben, wo sie völlig allein miteinander sein können, und niemand von uns darf wissen, wo es ist.«
    »Warum erwähnt er es dann überhaupt?«
    »Er doch nicht. Das hat Louise mir gesteckt.« Camille stand auf. »Ich muss gehen. Ich habe eine Essensverabredung. Nicht mit Mr. Miles.«
    »Sondern?«
    »Kennst du nicht. Ich beabsichtige mich blendend zu unterhalten. Du wirst alles darüber in Héberts Skandalblatt lesen können. Wahrscheinlich erfindet er schon gerade die Speisenfolge.«
    »Macht dir das nichts aus?«
    »Hébert? Ach was, ich schaue genüsslich zu, wie das anwachsende Gewicht seiner Unbedeutendheit ihn immer tiefer hinabzieht.«
    »Nein, ich meine – als du neulich im Konvent gesprochen hast, rief irgend so ein Dummkopf: ›Aber mit Aristokraten dinieren!‹ Für sich genommen bedeutet es gar nichts, nur …«
    »Aristokrat heißt doch heute schon jeder, der einen Verstand besitzt. Jeder mit gutem Geschmack.«
    »Dir ist klar, dass sich diese Leute, diese ci-devants , nur deiner Macht wegen für dich interessieren?«
    »Aber ja. Gut, nicht Arthur Dillon, der mag mich. Aber schließlich kenne ich es seit ’89 nicht anders, als dass die Leute sich nur meiner Macht wegen für mich interessieren. Und vor ’89 war überhaupt niemand an mir interessiert.«
    »Alle, die zählen, waren es« – ein intensiver Blick aus Robespierres grün-blau aufblitzenden Augen. »In meinem Herzen hattest du immer deinen Platz.«
    Camille lächelte. Gefühlsseligkeit – ja, sie lag im Zug der Zeit. Angenehmer, als von Georges-Jacques angebrüllt zu werden, war es allemal. Robespierre brach den Bann, scheuchte ihn mit einem gutmütigen Handwedeln weg. Aber als Camille fort war, saß er da und grübelte. Tugend war das Wort, das ihm durch den Sinn ging – oder genauer gesagt vertu : Stärke, Aufrichtigkeit, Reinheit der Absichten. Verstand Camille, was diese Worte bedeuteten? Manchmal schien er es genauestens zu verstehen, niemand hatte mehr vertu als er. Nur, so dachte Robespierre, begreift er sich als Ausnahme von jeglicher Regel. Er hat mir heute Dinge erzählt, die ihn später wahrscheinlich reuen werden. Das enthebt mich nicht der Verpflichtung, davon Notiz zu nehmen. Wenn er es mir nicht gesagt hätte, hätte ich nie von Georges-Jacques’ Ehevertrag erfahren. Danton muss wegen irgendetwas sehr in Sorge sein. Ein Mann wie er beunruhigt sich nicht wegen Kleinigkeiten. Ein Mann wie er lässt sich seine Sorge nicht anmerken. Ein Mann wie er fühlt sich nur dann bedroht, wenn eine große Schuld auf seinem Gemüt lastet, das oder eine große Zusammenballung von Bedrohungen und Ängsten.
    Schuld, natürlich, er muss sich schuldig fühlen. Er hat das Vertrauen der guten, jungen Frau missbraucht, die die Mutter seiner kleinen Söhne war. Als sie starb, da war ich mir sicher, dass er über diesen Schmerz nie hinwegkommen wird, und ich habe ihm geschrieben, um ihn zu trösten, ich habe ihm meinen Geist und mein Herz geöffnet, all meine Vorbehalte, Zweifel, dunklen Ahnungen beiseitegeschoben – »von nun an sind Sie und ich eins.« Gut, die Formulierung war schwülstig. Ich hätte meine Feder im Zaum halten sollen, aber es ging mir so nah … Vermutlich hat er mich dafür belächelt, vermutlich hat er gedacht, nein, laut gefragt vor grinsenden Zuhörern: Was will er nur, diese halbe Portion, wie kommt er dazu, sich als eins mit mir zu bezeichnen? Wie kann Robespierre – dieser verklemmte Junggeselle, der nur verstohlenste Empfindungen in sich zulässt und auch die noch leugnet – wie kann Robespierre sich anmaßen, zu wissen, was in mir vorgeht?
    Aber, sagte er sich, die Hände vor sich auf der Tischplatte, Danton ist ein Patriot. Mehr braucht es nicht, es ist unwichtig, ob seine Art mir missfällt. Danton ist ein Patriot.
    Er stand vom Schreibtisch auf, öffnete eine Schublade, holte eine Kladde heraus. Eine seiner

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