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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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vielleicht hätte ich … in einem Moment der … nein, nichts, egal.«
    Danton starrte ihn einen Augenblick lang an. »Wie auch immer«, sagte er, »damit ist die Gironde erledigt. Mörder und Feiglinge. Sie haben eine Frau geschickt.«
    In der schmalen Gasse hatte sich ein Auflauf gebildet, eine nahezu stumme und reglose Menge, die gebannt zu zwei erleuchteten Fenstern in Marats Wohnung emporsah. Es war eine Stunde nach Mitternacht, merkwürdig hell noch, die Hitze subtropisch. Camille winkte den Sansculotte zur Seite, der sich vor dem eisernen Treppengeländer aufgebaut hatte. Der Mann rührte sich nicht vom Fleck – nicht sofort.
    »Hab dich noch nie von so nahem gesehen«, sagte er. Seine Augen taxierten Camille. »Wie nimmt Danton es auf?«
    »Er ist tief bestürzt.«
    »Das glaub ich. Als Nächstes erzählst du mir, sein Herz blutet.«
    Dass der Mob seinen Namen rief, war für Camille nichts Neues. Dies hier war eine andere, unangenehmere Art der Vertrautheit.
    »Manche sagen, Danton und Robespierre hätten ihn zum Schweigen gebracht«, sagte der Mann. »Andere meinen, dass es die Royalisten waren, oder Brissot.«
    »Ich kenne dich«, sagte Camille. »Ich habe dich hinter Hébert herrennen sehen, stimmt’s? Was willst du hier?«
    Als wüsste er es nicht. Schließlich galt es ein Erbe aufzuteilen.
    »Tja«, sagte der Mann, »Père Duchesne wahrt seine Interessen. Das Volk wird einen neuen Freund brauchen. Von euch wird’s keiner sein …«
    »Wie wär’s mit Jacques Roux?«
    »Du und dieses Dreckschwein Dillon …«
    Camille drängte sich an ihm vorbei. Oben war schon Legendre, die blau-weiß-rote Schärpe unordentlich um seinen großen, ungeschlachten Leib gebunden, und erteilte Anweisungen. Camille schien es, als würde der Boden unter seinen Füßen schaudern, als bebten die Fensterscheiben noch nach von den Schreien der Frauen, aber es war alles still, nur hinter einer geschlossenen Tür drang unterdrücktes Schluchzen hervor. Du hast kaum etwas im Magen, sagte er sich, nur deshalb kommen dir die Wände so flüssig vor, die Luft so flirrend.
    Die Attentäterin saß im Wohnzimmer. Ihre Hände waren stramm gefesselt, und hinter ihrem Stuhl standen zwei Männer mit Piken. Über den kleinen Tisch vor ihr war eine schmuddelige weiße Decke gebreitet, auf der ihre Mörder-Utensilien auslagen: eine goldene Uhr, ein Fingerhut, eine Rolle weißes Garn, ein paar Münzen. Ein Pass, eine Geburtsurkunde, ein spitzengesäumtes Taschentuch, das Pappfutteral eines Küchenmessers. Zu ihren Füßen auf dem staubigen Teppich ein schwarzer Hut mit drei leuchtend grünen Bändern.
    Er lehnte sich an die Wand und betrachtete sie. Ihre Haut war zart und durchscheinend, eine Haut, die sich leicht verfärbte, bereitwillig jede Lichtschattierung widerspiegelte. Ein gesundes, vollbusiges Mädchen, genährt mit frischer Bauernbutter und Rahm: die Sorte Mädchen, die einem in der Kirche zulächelten, bändergeschmückt und nach Blumen duftend an den Sonntagen nach Ostern. Ich kenne dich, dachte er; ich kenne euch alle noch aus meiner Kinderzeit. Ihre Frisur war aufwendig gewesen, das sah man, eine Frisur, wie eine Provinzlerin sie sich macht, bevor sie aufbricht, um einen Mord zu begehen.
    »Ja, rot wird sie leicht«, sagte Legendre, »nur für ihre Schandtat, glaub nicht, dass sie für die rot wird. Ich darf der Vorsehung danken, dass ich noch am Leben bin, denn erst war sie bei mir. Sie streitet es ab, aber sie war da. Meine Leute haben Verdacht geschöpft und sie nicht hereingelassen. Oh, sie streitet es ab, aber ich war ihre erste Wahl.«
    »Gratuliere«, sagte Camille. Sie hatte sichtlich Schmerzen; ihre Handfesseln schnitten stark ein.
    »O nein, sie wird nicht rot dafür«, sagte Legendre, »dass sie unseren größten Patrioten gemeuchelt hat.«
    »Wenn das ihr Vorsatz war, hätte sie sich wohl kaum mit dir aufgehalten.«
    Er fand Simone Evrard neben der Tür, hinter der sie sich an dem Leichnam zu schaffen machten. Sie lehnte schwer an der Wand, tränenüberströmt; sie schien sich kaum auf den Füßen halten zu können. »So viel Blut, Camille«, sagte sie. »Wie sollen wir nur dieses ganze Blut vom Boden und von den Wänden herunterbekommen?«
    Als er die Tür öffnete, machte sie einen schwachen Versuch, ihn aufzuhalten. Dr. Deschamps warf einen kurzen Blick über die Schulter. Einer seiner Gehilfen versperrte Camille mit ausgestrecktem Arm den Weg. »Ich will ihn nur kurz sehen«, flüsterte Camille. Deschamps wandte

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