Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
Das ist Plünderung, was Sie da betreiben, Raub, und das wissen Sie genau. Wirklich, Maître d’Anton, Sie machen sich lächerlich mit dieser korrupten Attitüde. Sie müssen doch wissen, dass eine Revolution vor der Tür steht und dass Sie sich irgendwann entscheiden müssen, auf welcher Seite Sie stehen.«
    »Und diese Revolution wird uns den Lebensunterhalt sichern?«
    »Darauf müssen wir hoffen. Hören Sie, ich muss gehen, einen Klienten besuchen. Er wird morgen gehängt.«
    »Ist das üblich?«
    »Oh, meine Klienten werden immer gehängt. Selbst bei den Eigentums- und Ehesachen.«
    »Ihn zu besuchen, meine ich. Wird er sich denn freuen, Sie zu sehen? Wird er nicht denken, dass Sie ihm einen schlechten Dienst erwiesen haben?«
    »Mag sein. Aber es ist ein Leibliches Werk der Barmherzigkeit, Gefangene zu besuchen. Das wissen Sie doch sicher, d’Anton? Sie sind doch kirchlich erzogen worden? Ich sammle Ablässe und Ähnliches«, sagte er, »weil ich davon ausgehe, dass ich jederzeit sterben kann.«
    »Wo sitzt Ihr Klient?«
    »Im Châtelet.«
    »Sie wissen, dass Sie in die falsche Richtung gehen?«
    Maître Desmoulins sah ihn an, als hätte er etwas Dummes gesagt. »Ich hatte keine bestimmte Route im Sinn.« Er zögerte. »D’Anton, warum verschwenden Sie Ihre Zeit mit dieser läppischen Unterhaltung? Warum sind Sie nicht damit beschäftigt, sich einen Namen zu machen?«
    »Vielleicht brauche ich mal eine Pause vom System«, sagte d’Anton. In den schwarzen, glänzenden Augen seines Kollegen sah er die Ängstlichkeit des geborenen Opfers, die tödliche Erschöpfung leichter Beute. Er beugte sich vor. »Camille, wie sind Sie nur in diesen fürchterlichen Zustand geraten?«
    Camille Desmoulins’ Augen standen weiter auseinander als üblich, und was d’Anton für einen Ausdruck seines Charakters hielt, war tatsächlich nur eine anatomische Eigenheit. Doch es sollte viele Jahre dauern, ehe er das erkannte.
    Und es ging weiter: eines jener nächtlichen Gespräche, von langen Pausen unterbrochen.
    »Das kann doch nicht alles sein?«, sagte d’Anton. Nach Einbruch der Dunkelheit und etlichen Gläsern ist er oft noch unzufriedener als sonst. »Tagein, tagaus um einen kapriziösen, launischen Trottel wie Vinot herumzuscharwenzeln?«
    »Dein Lebensplan umfasst also mehr?«
    »Man muss weiterkommen – egal, was man macht, man muss ganz nach oben.«
    »Ich habe durchaus auch gewisse Ambitionen«, sagte Camille. »Weißt du, ich war auf einer Schule, wo es immer eiskalt war und das Essen furchtbar geschmeckt hat. Das ist mir irgendwie in Fleisch und Blut übergangen – wenn es kalt ist, akzeptiere ich das, Kälte ist normal, und ans Essen denke ich von einem Tag zum anderen kaum. Aber wenn mir dann tatsächlich mal warm ist oder jemand mir etwas Gutes zu essen gibt, bin ich unendlich dankbar und denke mir, na ja, das wäre schon schön – so etwas im großen Rahmen: riesige, lodernde Kaminfeuer und jeden Abend essen gehen … Natürlich denke ich so etwas nur in meinen schwachen Momenten. Ach ja, und dann: jeden Morgen neben jemandem aufwachen, den man wirklich mag. Statt sich alle naslang an den Kopf zu fassen und zu jammern, oje, was ist gestern Abend nur passiert, wie bin ich denn hierhergeraten?«
    »Das scheint mir nicht sehr viel verlangt«, sagte Georges-Jacques.
    »Aber wenn man erreicht hat, was man will, entwickelt man schnell eine Abneigung dagegen – zumindest ist das die gängige Meinung. Da ich in meinem Leben noch nichts erreicht habe, kann ich das nicht beurteilen.«
    »Du musst dir darüber klar werden, was du wirklich willst, Camille.«
    »Mein Vater wollte eigentlich, dass ich nach Abschluss meiner Ausbildung zurückkomme und in seine Kanzlei eintrete. Aber dann auch wieder nicht … Ich soll eine meiner Cousinen heiraten, das wurde schon vor Jahren arrangiert. Bei uns heiraten alle einen Vetter oder eine Cousine, damit das Geld in der Familie bleibt.«
    »Und du willst das nicht?«
    »Ach, es ist schon in Ordnung. Letztlich ist es ja egal, wen man heiratet.«
    »Ach ja?« Georges-Jacques hatte das bisher anders gesehen.
    »Allerdings wird Rose-Fleur nach Paris kommen müssen, denn ich gehe nicht mehr zurück.«
    »Wie ist sie denn so?«
    »Ich weiß es selbst nicht recht, wir sehen uns nur sehr selten. Ach so, du meinst, wie sie aussieht? Sie ist sehr hübsch.«
    »Du sagst, dass es egal ist, wen man heiratet – glaubst du denn nicht, dass du mal jemanden lieben wirst?«
    »Doch, natürlich.

Weitere Kostenlose Bücher