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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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dich für deine Reise zur Grenze fertig?«
    »Morgen.«
    »Was hältst du davon?«
    »Von Fabres Komplott? Es passt zu all deinen vorgefassten Meinungen. Ich frage mich, ob er das weiß.«
    Robespierre fuhr auf: »Stellst du es in Frage?«
    »Jeder Vorwand«, sagte Saint-Just, »taugt, um gegen Ausländer, Wucherer und Hébertisten vorzugehen. Solange du im Hinterkopf behältst, dass Fabre im Zweifel auch keine ganz weiße Weste hat.«
    »Du traust ihm also nicht.«
    Saint-Just lachte – soweit sich bei ihm von Lachen sprechen ließ. »Der Mann ist ein Erzbetrüger. Du weißt, warum er sich ›d’Églantine‹ nennt? Wegen dieses Literaturpreises der Akademie von Toulouse?« Robespierre nickte. »In dem Jahr, in dem er den Preis erhalten haben will, ist gar keiner verliehen worden.«
    »Ach so.« Robespierre sah weg, ein schräger Blick, diskret, wachsam. »Und du täuschst dich auch nicht?«
    Saint-Just wurde rot. »Natürlich nicht. Ich habe nachgeforscht. Ich habe die Akten überprüft.«
    »Ich nehme an«, sagte Robespierre unterwürfig, »er dachte, der Preis hätte ihm gebührt. Ich nehme an, er hat sich darum betrogen gefühlt.«
    »Der Mann hat sein ganzes Leben auf einer Lüge aufgebaut!«
    »Vielleicht mehr auf einem Selbstbetrug.« Robespierre lächelte abwesend. »Schließlich ist er auch kein großer Dichter, obwohl ich das gesagt habe. Nur ein mittelmäßiger. So etwas ist kleinlich, Saint-Just. Wie viel Zeit hast du damit verschwendet?« Die Genugtuung in Saint-Justs Blick war wie weggewischt. »Weißt du«, fuhr Robespierre fort, »ich hätte mir auch gewünscht, einmal so einen Preis zu gewinnen. Einen bedeutenden, nichts Lokales – so etwas wie Toulouse.«
    »Aber diese Preise waren vom alten Regime eingerichtet.« Saint-Just klang gekränkt. »Sie sind Schnee von gestern, es gibt sie nicht mehr. Sie sind aus der Zeit vor der Revolution.«
    »So eine Zeit soll es gegeben haben.«
    »Du bist den Institutionen und Denkweisen des alten Regimes doch sehr verhaftet.«
    »Das«, sagte Robespierre, »ist ein schwerer Vorwurf.«
    Saint-Just sah aus, als reue es ihn auch bereits. Robespierre stand von seinem Stuhl auf. Er war knappe zwanzig Zentimeter kleiner als Saint-Just. »Möchtest du mich vielleicht durch jemanden mit einwandfreierer revolutionärer Gesinnung ersetzen?«
    »Der Gedanke hat mich niemals auch nur gestreift.«
    »Durch dich selber am Ende?«
    »Du verstehst mich völlig falsch.«
    »Denn wenn du mich zu ersetzen versuchst, werde ich deinen Anteil an dieser Verschwörung nachweisen und im Konvent deinen Kopf verlangen.«
    Saint-Just zog die Brauen hoch. »Du siehst Gespenster«, sagte er. »Ich gehe an die Front.«
    Robespierres Stimme klang hinter ihm her, als er zur Tür hinausstürmte: »Das von Fabres Preis weiß ich seit Jahren. Camille hat es mir erzählt. Wir haben darüber gelacht. Was zählt so etwas denn? Bin ich der Einzige, der noch weiß, was zählt? Bin ich der Einzige, der die Dinge noch im Verhältnis sieht?«
    Maximilien Robespierre: »In den letzten zwei Jahren haben Verrat und Schwäche 100000 Menschen das Leben gekostet; mit unserer Laxheit gegenüber Verrätern schaufeln wir uns unser eigenes Grab.«
    IM JUSTIZPALAST: »Du wirkst nicht sehr fröhlich, Vetter«, sagte Camille.
    Fouquier-Tinville zuckte mit den Schultern. Sein dunkles Gesicht trug einen mürrischen Ausdruck. »Heute war ich achtzehn Stunden bei Gericht. Gestern haben wir um acht Uhr morgens angefangen und waren nachts um elf fertig. Das zehrt.«
    »Stell dir vor, wie es für die Gefangenen sein muss.«
    »Dazu reicht meine Fantasie nicht aus«, sagte der öffentliche Ankläger wahrheitsgemäß. »Ist es eine klare Nacht?«, fragte er. »Ich könnte etwas frische Luft vertragen.«
    Es störte ihn nicht, Frauen wegen Kapitalverbrechen anzuklagen, aber die Fragen, die es in manchen Gemütern aufwarf, setzten ihm zu. Die Guillotine gewährleistete einen halbwegs würdigen Tod; die Quälerei kam vorher. Er sah es lieber, wenn seine Gefangenen in besserer Verfassung waren – nicht so zerzaust, nicht so krank und geschwächt. Er hatte einen Mann dazu abgestellt, ihr wenn nötig Gläser mit Wasser zu holen, aber bislang hatte sie weder Wasser noch Riechsalz gebraucht. Es war jetzt nach Mitternacht; eine Jury, die sich um diese Zeit zur Beratung zurückzog, würde wohl schwerlich lange fackeln.
    »Hébert gestern«, sagte er unvermittelt. »Grauenhaft. Gott allein weiß, was er mit der Sache zu tun hat und

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