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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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den Metzgereien an. Die Nationalgarde musste diese Woche schon mehrmals bei Schlägereien eingreifen.«
    »Wenn das so weitergeht – ich weiß nicht.« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Unter dem alten Regime sind jedes Jahr Menschen verhungert. Wo sind die ganzen Nahrungsmittel, Lindet? Die Landwirtschaft produziert doch.«
    »Danton meint, wir hätten durch die Regulierung den Handel zum Erliegen gebracht. Er sagt – zu Recht –, dass die Bauern davor zurückscheuen, ihre Produkte in die Stadt zu bringen, weil sie Angst haben, gegen irgendeine Vorschrift zu verstoßen und womöglich noch als Wucherer gelyncht zu werden. Wir requirieren, wo möglich, aber sie verstecken das Zeug, lassen es lieber verrotten. Dantons Leute behaupten, wenn wir die Regulierung aufheben würden, käme die Versorgung wieder in Gang.«
    »Und was meinen Sie?«
    »Die Aufwiegler in den Sektionen befürworten Regulierungen. Sie erzählen den Leuten, das sei der einzig gangbare Weg. Es ist eine verfahrene Situation.«
    »Das heißt also …«
    »Ich harre Ihrer Instruktionen.«
    »Was sagt Hébert?«
    »Entschuldigen Sie. Geben Sie mir bitte mal die Zeitung.« Er schüttelte sie aus, und Brotkrümel rieselten zu Boden. »Hier.«
    »Die Schlächter, die die Sansculotten wie Hunde behandeln und ihnen nur Knochen zum Abnagen hinwerfen, sollten guillotiniert werden wie alle Feinde des gemeinen Volks.«
    Robespierres Lippen kräuselten sich. »Sehr konstruktiv«, sagte er.
    »Bedauerlicherweise ist die breite Masse seit ’89 nicht klüger geworden. So ein Vorschlag erscheint den Leuten als Lösung.«
    »Gibt es Unruhen?«
    »Schon. Aber niemand fordert Freiheit. An ihren Rechten scheinen die Leute nicht mehr interessiert zu sein. Camille und die Freilassung der Verdächtigen, das waren um Weihnachten herum sehr populäre Themen. Aber jetzt geht es nur noch um die Nahrungsversorgung.«
    »Das wird Hébert ausschlachten«, sagte Robespierre.
    »Auch in den Waffenfabriken gibt es Unruhen und Agitation. Wir können uns Streiks nicht leisten. Die Armee ist schon jetzt schlecht ausgerüstet.«
    Robespierre hob den Kopf. »Die Agitatoren müssen gefasst werden, auf der Straße, in den Fabriken, wo auch immer. Ich verstehe, dass die Leute unzufrieden sind, aber wir können jetzt nicht alles fahren lassen. Man muss sich für die Nation opfern. Langfristig wird es sich auszahlen.«
    »Saint-Just und Vadier im Polizeiausschuss halten die Zügel fest in der Hand. Leider können wir« – Lindet zögerte – »gegen die wahren Unruhestifter nicht ohne eine politische Entscheidung auf höchster Ebene vorgehen.«
    »Hébert.«
    »Er wird einen Aufstand anzetteln, wenn es irgend geht. Die Regierung wird fallen. Lesen Sie die Zeitung. Bei den Cordeliers gibt es eine Strömung –«
    »Das müssen Sie mir nicht erzählen«, sagte Robespierre, »ich weiß es nur zu gut. Der Bombast, um sich Mut zu machen, die Treffen in den Hinterzimmern. Hébert ist das einzige Gegengewicht zu Dantons Einfluss. Hier sitze ich, hilflos, und alles bricht zusammen. Wird denn das Volk dem Ausschuss nicht die Treue halten, nachdem wir es vor einer Invasion bewahrt und unser Bestes getan haben, um es mit Nahrung zu versorgen?«
    »Ich hatte gehofft, Ihnen das ersparen zu können«, sagte Lindet. Er zog ein zusammengelegtes Stück Papier aus der Tasche und faltete es auf. Es war eine öffentliche Bekanntmachung, auf der die Arbeitszeiten und Löhne in staatlichen Betrieben verzeichnet waren. Die Ecken des Blattes, mit denen es an der Wand befestigt gewesen war, waren eingerissen.
    Robespierre streckte die Hand danach aus. Auf dem Anschlag waren die nachgemachten Unterschriften von sechs Mitgliedern des Wohlfahrtsausschusses zu sehen. Darunter hatte jemand in Rot gekrakelt:
     
    KANNIBALEN. DIEBE. MÖRDER.
     
    Robespierre ließ das Blatt aufs Bett fallen. »Wurden die Capets je so beleidigt?« Er lehnte den Kopf ans Kissen. »Es ist meine Pflicht, die Männer aufzuspüren, die diese armen Menschen irregeführt und verraten und ihnen solche bösen Gedanken in den Kopf gesetzt haben. Ich werde die Zügel der Revolution nicht mehr aus der Hand geben, das schwöre ich Ihnen.«
    Als Lindet gegangen war, saß er noch lange gegen die Kissen gelehnt und sah zu, wie sich das Licht des Nachmittags wandelte, wie es über die Zimmerdecke kroch. Es dämmerte. Eléonore kam mit ein paar Kerzen herein. Sie legte ein neues Scheit ins Feuer, sammelte die losen Blätter auf, die auf dem

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