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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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eigentlich, Fouquier? Für einen Idioten, irgendeinen dahergelaufenen Armeetrottel? Vor der Revolution war ich Rechtsanwalt in Straßburg. Ich weiß, wie ein Gerichtsverfahren auszusehen hat. Man hat mir keinen Anwalt zugeteilt. Es gab keine Voruntersuchung. Ich bin nicht angeklagt worden.«
    Hermann blickt auf. »Das sind Formalitäten.«
    »Wir alle«, sagt Danton trocken, »sind auf der Grundlage von Formalitäten hier.«
    Die Angeklagten brechen in bitteres Gelächter aus. Dantons Bemerkung erreicht die Zuschauer. Sie applaudieren, und eine Reihe Sansculotten nehmen ihre roten Mützen ab, schwenken sie durch die Luft, singen Ça ira und brüllen (verwirrenderweise): »A la lanterne!«
    »Ich rufe Sie zur Ordnung!«, schreit Hermann Danton an.
    »Sie rufen mich zur Ordnung?« Danton springt auf wie von der Tarantel gestochen. »Mir scheint vielmehr, dass ich Ihnen Recht und Ordnung in Erinnerung rufen muss. Ich habe ein Recht zu sprechen. Wir alle haben das Recht, angehört zu werden. Verdammt noch mal – ich habe dieses Tribunal selbst ins Leben gerufen. Ich sollte nun wirklich am besten wissen, nach welchen Regeln es funktioniert!«
    »Hören Sie nicht die Klingel?«
    »Ein Mann, dem die Todesstrafe droht, interessiert sich nicht für Klingeln.«
    Der Gesang der Zuschauer wird lauter. Fouquiers Lippen bewegen sich, doch man versteht ihn nicht. Hermann schließt die Augen, und hinter seinen Lidern tanzen die Unterschriften des Wohlfahrtsausschusses. Erst nach einer Viertelstunde ist die Ordnung wiederhergestellt.
     
    Wieder die Affäre um die Ostindien-Kompanie. Die Ankläger wissen, dass sie hier etwas in der Hand haben, deshalb halten sie sich an diesen Fall. Fabre hebt das Kinn, das ihm auf die Brust gesunken war. Nach ein paar Minuten sackt es wieder herunter. »Er braucht einen Arzt«, flüstert Philippeaux.
    »Sein Arzt ist gerade anderweitig beschäftigt. In der Jury.«
    »Sie werden uns hier doch nicht wegsterben, Fabre?«
    Fabre ringt sich ein elendes Lächeln ab. Danton spürt die Angst Camilles, der stocksteif zwischen ihm und Lacroix sitzt. Camille hat die ganze Nacht geschrieben, denn er ist davon überzeugt, dass man ihn letztlich wird sprechen lassen müssen. Bisher haben ihn die Richter jedes Mal wenn er den Mund aufgemacht hat brutal zum Schweigen gebracht.
    Cambon, der Finanzexperte der Regierung, tritt in den Zeugenstand, um über Gewinne und Anteilscheine, Bankgeschäfte und Devisenbestimmungen zu referieren. Er wird der einzige Zeuge in diesem Prozess bleiben. Danton fällt ihm ins Wort:
    »Hören Sie, Combon: Halten Sie mich für einen Royalisten?«
    Cambon schaut zu ihm hinüber und lächelt.
    »Sehen Sie, er lacht. Halten Sie das fest, Bürger Gerichtsschreiber: Er hat gelacht!«
     
    HERMANN : Danton, der Konvent beschuldigt Sie der ungebührlichen Begünstigung Dumouriez’, der Kaschierung seines wahren Wesens und seiner wahren Absichten sowie der Unterstützung und Beihilfe bei seinen Plänen, die Freiheit zunichte zu machen, wie etwa dem, mit einer bewaffneten Streitmacht auf Paris zu marschieren, die republikanische Regierung zu stürzen und die Monarchie wiederherzustellen.
    DANTON : Darf ich gleich darauf antworten?
    HERMANN : Nein. Bürger Pâris, lesen Sie jetzt den Bericht von Bürger Saint-Just vor – ich meine, den Bericht, den der Bürger im Konvent und im Jakobinerclub verlesen hat.
     
    Zwei Stunden. Die Angeklagten haben sich in zwei Lager gespalten; die sechs Politiker und der General versuchen, einen gewissen Abstand zwischen sich und die Diebe zu legen, aber das ist nicht einfach. Philippeaux hört aufmerksam zu und macht sich Notizen. Hérault wirkt gedankenverloren, man fragt sich, ob er das Geschehen im Gerichtssaal überhaupt verfolgt. Der General schnaubt ab und zu ungeduldig und flüstert Lacroix eine Nachfrage ins Ohr, doch Lacroix kann ihm nur selten weiterhelfen.
    Zunächst ist das Publikum während der Verlesung des Berichts unruhig. Doch als dessen implizite Weiterungen sich abzuzeichnen beginnen, breitet sich tiefes Schweigen im Gericht aus, stiehlt sich in den dunkler werdenden Saal wie ein wildes Tier in seinen Bau. Das Läuten der Glocken signalisiert, dass die erste Stunde des Berichts verstrichen ist, Hermann räuspert sich, und Fouquier streckt mit dem Rücken zu den Angeklagten hinter seinem Tisch die Beine aus. Desmoulins verliert plötzlich die Nerven. Er fasst sich ans Gesicht, wundert sich im nächsten Moment, was seine Hand da soll, streicht

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