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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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sich nervös das Haar zurück. Hastig blickt er in die Gesichter rechts und links von ihm. Er umschließt die eine, zur Faust geballte Hand mit der anderen, presst die Fingerknöchel an die Lippen; dann lässt er die Hände sinken und umklammert die Vorderkante der Bank, bis die Fingerknöchel weiß angelaufen sind. Bürger Robespierres in Straffällen sehr nützliche Maxime: Wer Angst zeigt, ist schuldig. Danton und Lacroix ergreifen seine Hände und halten sie unauffällig neben ihm fest.
    Pâris ist fast fertig, mit brüchiger Stimme liest er die letzten Sätze. Er lässt die Blätter auf den Tisch fallen, und sie breiten sich fächerförmig aus. Er ist am Ende seiner Kräfte, hätte er noch länger fortfahren müssen, wäre er weinend zusammengebrochen.
    »Danton«, sagte Hermann. »Sie haben das Wort.«
    Während er sich erhebt, fragt er sich, was Philippeaux wohl alles notiert hat. Denn es gibt nicht eine Unterstellung, die er höhnisch zerpflücken könnte, nicht eine Beschuldigung, die er hochhalten könnte, um sie dann in den Schmutz zu treten und auf ihr herumzutrampeln. Gäbe es doch nur eine spezifische Anklage – am 10. August 1792 haben Sie, Georges-Jacques Danton, sich der Konspiration und des Landesverrats schuldig gemacht … Aber er muss eine ganze Laufbahn rechtfertigen, ein ganzes Leben, ein Leben in der Revolution, um diesem Gespinst aus Lügen und Andeutungen, dieser Schändung der Wahrheit etwas entgegenzusetzen. Saint-Just muss Camilles Schriften gegen Brissot gründlich studiert haben, denn in ihnen wurde diese Methode perfektioniert. Mit welcher Treffsicherheit und Bösartigkeit, schießt es ihm durch den Kopf, hätte Camille sich seiner Laufbahn angenommen!
    Nach einer Viertelstunde stellen sich der Schwung und die Kraft ein, die er braucht, um die Macht seiner Stimme zu entfalten. Das lange Schweigen hat ein Ende. Die Menge beginnt wieder zu applaudieren. Manchmal muss er innehalten und sich dem Lärm überlassen; er schöpft Atem und spricht dann noch kraftvoller weiter. Fabre hat ihn unterwiesen, erfolgreich unterwiesen. Er stellt sich seine Stimme als Angriffswaffe vor, als eine kleine Streitkraft; Lava aus dem Krater eines unerschöpflichen Vulkans, in der die anderen verbrennen, verglühen, bei lebendigem Leibe begraben werden. Bei lebendigem Leibe begraben.
    Einer der Geschworenen unterbricht ihn: »Können Sie uns darüber aufklären, warum unsere Truppen in Valmy die Preußen bei ihrem Rückzug nicht verfolgt haben?«
    »Nein, das kann ich nicht, bedaure. Ich bin Anwalt. Militärische Dinge sind ein Buch mit sieben Siegeln für mich.«
    Fabres Hände lösen sich von der Stuhllehne.
    Manchmal versucht Hermann, ihn bei wichtigen Punkten zu unterbrechen. Danton schmettert ihn jedes Mal voller Verachtung ab. Bei jeder Abfuhr, die er dem Gericht erteilt, jubelt und pfeift das Publikum und spottet lautstark. Die Theater sind leer, dies ist die einzige Vorstellung, die sie besuchen können. Und genau das ist es: eine Vorstellung, das weiß er. Im Moment stehen sie alle hinter ihm, aber was, wenn Robespierre die Bühne beträte? Würden sie ihm nicht genauso zujubeln? Père Duchesne war ihr Held, doch als sein Schöpfer auf dem Schinderkarren um Gnade flehte, lachten und buhten sie ihn aus.
    Nach einer Stunde hat seine Stimme nichts von ihrer Kraft verloren. Die körperliche Anstrengung bemerkt er gar nicht. Seine Lunge tut, wozu er sie trainiert hat, wie die eines Athleten. Doch diesmal geht es nicht darum, ein Argument zu untermauern, einen Streit für sich zu entscheiden, diesmal geht es um sein Leben. Es ist das, was er wollte, worauf er gewartet und gehofft hat, die allentscheidende Konfrontation, doch im Laufe des Tages merkt er, dass er eine Stimme in seinem Innern übertönt, die sagt: Sie lassen diese Konfrontation nur zu, weil die Sache längst entschieden ist – du bist ein toter Mann. Eine Frage von Fouquier versetzt ihn in rasende Wut: »Schafft meine Ankläger her«, ruft er. »Zeigt mir Beweise, einen einzigen, ja nur den winzigsten Hauch eines Beweises. Ich fordere meine Ankläger auf, sich zu zeigen, mir gegenüberzutreten. Holt diese Männer her, und ich werde sie in die Dunkelheit zurückstoßen, aus der sie nie hätten hervorkommen sollen. Zeigt euch, ihr hinterhältigen Schwindler, und ich werde euch die Masken vom Gesicht reißen und euch der Rache des Volkes ausliefern!«
    Und noch eine Stunde. Er hätte gern ein Glas Wasser, traut sich aber nicht, darum zu

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