Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
diesen dreckigen Hund nicht hier herein.«
Brount fläzt sich vor die Tür seines Studierzimmers. Er schließt die Tür und arbeitet bis sieben oder acht; wenn am nächsten Tag eine wichtige Verhandlung bevorsteht, natürlich länger. Hat er seine Papiere schließlich beiseite gelegt, kaut er womöglich noch etwas an seinem Federhalter und versucht sich an ein paar Versen für das nächste Treffen der literarischen Gesellschaft. Es ist keine Dichtung, das gibt er gern zu, einfach gutes Handwerk, nichts Ernsthaftes. Manches ist noch weniger ernsthaft als anderes, man denke etwa an seine »Ode an die Marmeladentarte«. Er liest viel, und einmal in der Woche kommt die Akademie von Arras zusammen. Der offizielle Zweck dieser Zusammenkünfte ist es, über Geschichte, Literatur, wissenschaftliche Themen, Aktuelles zu diskutieren. Was so alles geschieht; und außerdem werden Klatsch und Tratsch verbreitet, Ehen arrangiert und Kleinstadtfehden vom Zaun gebrochen.
An anderen Abenden schreibt er Briefe. Oft will Charlotte, dass sie zusammen die Haushaltsbücher durchgehen. Und die Tanten sind beleidigt, wenn sie nicht mindestens einmal die Woche besucht werden. Da sie jetzt in getrennten Häusern leben, sind damit zwei Abende in der Woche belegt.
Als er mit seinem neuen akademischen Grad und sorgsam modulierten Hoffnungen nach Arras zurückgekommen ist, war vieles anders. Tante Eulalie hatte 1776, im Jahr des amerikanischen Revolutionskrieges, zur allseitigen Überraschung verkündet, dass sie heiraten werde. Es gibt also noch Hoffnung für uns, sagten die alten Jungfern der Gemeinde. Tante Henriette meinte, Eulalie habe den Verstand verloren: Robert Deshorties war Witwer und hatte mehrere Kinder, darunter Anaïs, ein Mädchen in fast heiratsfähigem Alter. Doch binnen eines halben Jahres waren heimliche Momente zarten Errötens und ein beträchtliches Maß an unziemlichen Wallungen und Andeutungen an Stelle von Tante Henriettes Missgunst getreten. Im darauffolgenden Jahr heiratete sie Gabriel du Rut, einen lauten Mann von dreiundfünfzig Jahren. Maximilien war froh, dass er in Paris war und sich nicht loseisen konnte.
Für Tante Henriettes Patenkind gab es keine Heirat, keine Feier. Seine Schwester Henriette war nie sehr robust gewesen. Sie hatte Atembeschwerden, aß nicht richtig, hatte ständig die Nase in einem Buch; eines dieser schwierigen Mädchen, die man stets anzuschreien geneigt war. Eines Morgens – er erhielt die Nachricht erst eine Woche später per Brief – fand man sie tot im Bett, ihr Kissen war blutgetränkt. Sie hatte einen Blutsturz erlitten, während unten die Tanten mit Charlotte Karten spielten – während die drei eine leichte Mahlzeit zu sich nahmen, war Henriettes Herz stehen geblieben. Sie war neunzehn. Er hatte sie geliebt. Er hatte gehofft, sie könnten Freunde werden.
Zwei Jahre nach den verblüffenden Eheschließungen starb Großvater Carraut. Die Brauerei ging an Maximiliens Onkel Augustin Carraut, den Enkeln – Maximilien, Charlotte und Augustin – hinterließ er Geld.
Der Abt hatte freundlicherweise den jungen Augustin das Stipendium seines Bruders am Collège Louis-le-Grand übernehmen lassen. Augustin war zu einem netten, unauffälligen Jungen herangewachsen, der einigermaßen gewissenhaft, aber nicht sonderlich gescheit war. Maximilien machte sich Sorgen, als sein Bruder nach Paris ging – er befürchtete, die Anforderungen könnten zu hoch für ihn sein. Mit einer Herkunft wie der ihren, so seine Erfahrung, hatte man nur ein einziges Pfund, mit dem man wuchern konnte, nämlich Intelligenz. Er nahm an, dass Augustin zu derselben Erkenntnis kommen würde.
Bei seiner Rückkehr nach Arras war er zunächst zu Tante Henriette und ihrem lauten Mann gezogen – der ihn, noch ehe die erste Woche verstrichen war, daran erinnerte, dass er ihnen Geld schuldete. Um genau zu sein, war es François, sein Vater, der ihnen Geld schuldete – seiner Tante Henriette, seiner Tante Eulalie, Großvater Carrauts Erben – er wagte es nicht, genauer nachzufragen. Die Begleichung dieser Schulden zehrte seine eigene Erbschaft von seinem Großvater auf. Warum taten sie ihm das an? Es war taktlos, es war habgierig. Sie hätten ihm ein Jahr Aufschub gewähren können, bis er etwas Geld verdient hatte. Er machte kein Aufhebens, zahlte und zog dann aus, um Tante Henriette nicht in Verlegenheit zu bringen.
Wäre es andersherum gewesen, er hätte das Geld nicht eingefordert, weder in einem Jahr noch sonst
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