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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Klienten hatte er jetzt öfter. Ein gewöhnlicher Mann – oft auch eine Frau –, der oder die mit den maßgeblichen Kreisen in Konflikt geraten war. An ein Honorar war natürlich nicht zu denken.
    Die Geschichte des Seilmachers klang zu schlimm, um wahr zu sein. Gleichviel, sagte er, wir werden sie an die Öffentlichkeit bringen. Binnen eines Monats wurde gegen Dom Brognard ermittelt, und der Seilmacher hatte die Abtei auf Entschädigung verklagt. Und als sich die Abtei einen Anwalt nahm, auf wen fiel da die Wahl? Auf M. Liborel, seinen einstigen Förderer. Die Dankbarkeit verpflichtet mich in diesem Fall zu gar nichts, sagte er, hier geht es um die Wahrheit.
    Tönende Worte, die durch die ganze Stadt hallen. Alle ergreifen Partei, und die örtliche Justiz schlägt sich größtenteils auf Liborels Seite. Es kommt zur Schlammschlacht, und natürlich passiert zum Schluss genau das, womit er gerechnet hat: Man bietet dem Seilmacher mehr Geld, als er über Jahre hinweg verdienen würde, damit er einem außergerichtlichen Vergleich zustimmt, den Mund hält und verschwindet.
    Danach kann es natürlich nicht weitergehen wie zuvor. Er kann nicht vergessen, wie sie sich zusammengetan, gegen ihn konspiriert, ihn in der Lokalpresse als antiklerikalen Unruhestifter verteufelt haben. Ihn? Den Schützling des Abtes? Die große Hoffnung des Bischofs? Nun gut. Wenn sie ihn so sehen wollen, wird er sich fortan nicht mehr die Mühe machen, seinen Kollegen das Leben zu erleichtern, immer hilfreich und höflich zu sein. Es ist eine Schwäche, dieser tief verwurzelte Wunsch, die Leute möchten gut von ihm denken.
    Die Akademie von Arras hat ihn zum Präsidenten gewählt, doch er langweilt die anderen mit seinen endlosen Suaden über die Rechte unehelicher Kinder. Man sollte meinen, klagt eines der Mitglieder, es gebe keine anderen Themen auf dieser Welt.
    Wenn deine Mutter und dein Vater sich anständig benommen hätten, hat Großvater Carraut gesagt, dann wärst du nie geboren worden.
    Charlotte zog häufig das Rechnungsbuch hervor und merkte an, dass sein Gewissen mit jedem Monat stärker zu Buche schlage. »Natürlich«, sagte er. »Was hast du denn erwartet?«
    Alle paar Wochen machte sie ihn herunter, verletzende Attacken, die ihm zeigten, dass er nicht einmal bei sich zu Hause verstanden wurde.
    »Dieses Haus«, sagte sie, »ist für mich kein Heim. Wir haben nie ein Heim gehabt. An manchen Tagen bist du so in Gedanken, dass du kaum ein Wort sagst. Ich könnte ebenso gut gar nicht da sein. Ich bin eine gute Hausfrau, aber du zeigst keinerlei Interesse an meinem Wirken. Ich bin eine gute Köchin, aber Essen interessiert dich nicht. Ich lade Gäste ein, und wenn wir die Spielkarten herausholen oder uns unterhalten wollen, setzt du dich von uns weg und markierst Passagen in einem Buch.«
    Er wartete, bis ihre Wut sich legte. Wut war dieser Tage ihr vorherrschender Gefühlszustand, und es war durchaus verständlich. Fouché hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht – oder irgend so etwas – und sie dann auf dem Trockenen sitzen lassen, was sie in eine blamable Lage gebracht hatte. Er überlegte vage, ob man etwas unternehmen müsse, doch er war davon überzeugt, dass sie langfristig ohne diesen Mann besser dran war.
    »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich werde versuchen, etwas geselliger zu sein. Ich habe einfach so viel Arbeit.«
    »Ja, aber wirst du für diese Arbeit auch bezahlt?« Charlotte sagte, er stehe in Arras mittlerweile in dem Ruf, an Geld nicht interessiert zu sein und ein weiches Herz zu haben, was ihn überraschte, denn er selbst sah sich als einen Mann von Prinzipien, der sich nichts vormachen ließ. Sie warf ihm vor, immer wieder Leute vor den Kopf zu stoßen, die ihm für seine Karriere hätten nützlich sein können, und er versuchte ihr zu erklären, warum er die Hilfe dieser Leute ablehnen musste, wo seine Pflichten lagen, was er glaubte, tun zu müssen. Er fand, dass sie zu viel Aufhebens ums Geld machte. Schließlich konnten sie ihre Rechnungen bezahlen. Und es stand immer Essen auf dem Tisch.
    Doch Charlotte ritt endlos darauf herum. Bis sie irgendwann einen Weinkrampf bekam und zutage trat, was sie tatsächlich bedrückte. »Irgendwann heiratest du ja doch Anaïs. Du heiratest Anaïs und lässt mich hier allein.«
    Vor Gericht hielt er jetzt, so nannten es die Leute, »politische Plädoyers«. Ja, wie denn auch nicht? Alles ist politisch. Das System ist korrupt. Die Gerechtigkeit steht zum Verkauf.
    30. Juni

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