Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
Vom Netzwerk:
übermäßiger Freundlichkeit begann und dann auf einen Schlag den Ton wechselte, horchte auf.
    »Ich verstehe nicht«, sagte er.
    »Du verstehst sehr gut, denke ich, machen wir uns nichts vor, die Zeit drängt, bei dir brennt die Luft, das weiß ich.«
    Willy unterdrückte ein Stöhnen. Hatte Altenhof also schon Wind bekommen von dem leidigen Vorgang. »Was weißt du?« fragte er.
    »Ich weiß erstens, welche unverschämte Forderung deine Belegschaft gestellt hat, ich weiß zweitens, daß du sie richtigerweise abgelehnt hast, und ich weiß drittens, daß Teile der Belegschaft derzeit ernsthaft darüber nachdenken, in einen Streik zu treten.«
    »In einen Streik? Das ist … das ist unmöglich.«
    »Immerhin stellst du die anderen beiden Punkte nicht in Abrede«, sagte Altenhof.
    »Nein, die Punkte treffen zu, die ersten, aber ein Streik – das glaube ich nicht!«
    »Es geht hier nicht um irgendeinen Glauben, sondern um Wissen, und uns liegen Informationen vor, daß ein solcher Streik im Gespräch ist und sogar schon heute in die Tat umgesetzt werden könnte. Auch dazu haben wir Hinweise.«
    »Woher?« fragte Willy, aber sogleich stand ihm das hagere Gesicht Felix Freieisens vor Augen. Freieisen saß mit ihm auf einem Flur, Freieisen entschied mit ihm über Neueinstellungen und Westverwandtenbesuche, Freieisen war seit vielen Jahren der Verbindungsmann der Stasi im »Aufbruch«, Willy hatte sich an ihn gewöhnt wie an die Sonne und den Mond. Freieisen wiederum pflegte sich leutselig zu geben und hier und dort herumzuplappern, er sprach viel mehr, als daß er still war. Er bezeichnete sich sogar selber als Sicherheitsnadel und war der Belegschaft mitsamt seinem Auftrag wohlbekannt. Unten in den Hallen nannte man ihn hinter vorgehaltener Hand Felix Dzierzynski. Was er wußte und, wie es schien, mit Genugtuung aufnahm. Aber heute? Konnte er nie und nimmer bei den Beratungen zugegen gewesen sein, nicht leibhaftig. Er mußte Zuträger gehabt haben.
    »Noch einmal«, antwortete Ingo Altenhof, »es ist nicht die Stunde, nach dem Woher, dem Warum und dem Wieso zu fragen. Das alles ist gerade völlig unwichtig und kann später aufgearbeitet werden. Jetzt geht es nur um eines: diesen Streik mit allen zu Gebote stehenden Mitteln im Keim zu ersticken.« Seine Stimme, die so liebenswürdig und schmeichlerisch sein konnte, klang hart und kalt.
    »Ich werde das sofort versuchen«, sagte Willy, »ich habe einen guten Draht zu vielen Mitarbeitern, ich gehe gleich runter in die Halle.« Während er das aussprach, kam ihm der Gedanke, es drohe nur deswegen ein Streik, weil er sich am Morgen so unerbittlich gezeigt hatte und weil seitdem von einem guten Draht zwischen ihm und den Mitarbeitern ja keine Rede mehr sein konnte. Gewiß, er hatte sie verprellt, hatte unangemessen reagiert – aber er würde es wiedergutmachen, würde sich zur Not sogar entschuldigen für seinen abweisenden Ton.
    Altenhof erwiderte: »Gar nichts wirst du versuchen! Du hältst dich zurück! Wir haben unsere Erfahrungen, was passiert, wenn der Betriebsleiter versucht, Dinge zu regeln, die völlig aus dem Ruder gelaufen sind, äußerst ärgerliche Erfahrungen, die sich nicht wiederholen werden.«
    In Willy regte sich Widerstand. Was auch immer das für Erfahrungen waren, sie berechtigten Altenhof ja wohl nicht, ihm Anweisungen zu geben. Er sagte: »Genosse Altenhof, du bist mir gegenüber aber nicht weisungsbefugt, soviel ich weiß. Du kannst mich auch kaum davon abhalten, jetzt runterzugehen und mit meinen Leuten zu verhandeln.«
    »Und ob ich das kann«, entgegnete Altenhof, »und ob ich das kann. Ich sage dir, es wird hier nicht mehr verhandelt, von niemandem, es wird hier kein Raum geöffnet für polnische Verhältnisse! Keine konterrevolutionären Bewegungen unter welchem Deckmantel auch immer! In Polen hat man geschlampt, das kennen wir ja, aber wir schlampen nicht, wir sehen nicht zu, wenn sich was zusammenbraut, der Streik in deiner Bude wird vorab zerschlagen, und zwar folgendermaßen: Es erscheint in den nächsten Minuten eine Hundertschaft Männer, in spätestens einer halben Stunde wird sie auf dem Gelände sein. Sie beaufsichtigt die Produktion und gewährleistet deren reibungslose Weiterführung. Nach Schichtschluß geleitet jeweils ein Mann aus dieser Truppe jeweils einen deiner Mitarbeiter nach Hause, damit schließen wir aus, daß es außerhalb des Werkes noch irgendwo zu Zusammenrottungen kommt. Hat man nämlich an einem Flecken erstmal eine

Weitere Kostenlose Bücher