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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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wegen Ihres Buches?«
    »Natürlich heißt es das. Und wie steht es bei Ihnen? Irgendwelche Restriktionen aufgrund Ihrer Veröffentlichung?«
    Matti erzählte ihm von seiner Degradierung und vor allem darüber, wie fadenscheinig man sie begründet hatte.
    »Dann verhält man sich Ihnen gegenüber ja wesentlich klüger, als man es in meinem Fall tut«, schlußfolgerte der Anwalt.
    Norbert Weißfinger gesellte sich zu ihnen, er wirkte interessiert und gleichmütig in einem, will einfach mal bei euch vorbeischauen, drückte seine Miene aus.
    Matti spürte, wie er befangen wurde, er hatte noch immer Mühe zu akzeptieren, daß Weißfinger zu diesem Kreis gehörte. Vor allem aber verstand er den Anwalt nicht. »Wieso verhält man sich mir gegenüber klüger?« fragte er ihn.
    »Weil man Sie weiterarbeiten läßt, weil man Sie beschäftigt. Solange Sie nämlich beschäftigt sind, werden Sie den Staat weniger beschäftigen, als ich es nun tue, dem die eigentliche Beschäftigung genommen wurde. Ich habe Muße, das ist fatal für diejenigen, die sie mir geben.«
    »Darauf bin ich noch gar nicht gekommen«, sagte Matti.
    »Aber Sie begreifen es gleich – und diese Leute begreifen es bis heute nicht. Weil sie außerstande sind, sich in die Gegenseite hineinzuversetzen. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich mir einen Mandanten nach dem anderen schicken, ich würde mich an Kleinarbeit ersticken lassen.«
    »Sie als Anwalt sind natürlich geübt, sich in die Gegenseite hineinzuversetzen, das muß man schon sagen«, warf Weißfinger ein.
    »Man muß überhaupt kein Anwalt sein, um zu wissen, daß Menschen, denen ein Verbot auferlegt wird, mehr Kräfte entwickeln als die, denen nichts im Wege steht – und sei es nur, sie finden Mittel und Wege, ein ihnen wichtiges Manuskript in den Westen zu befördern.« Dabei schaute er anerkennend zu Matti.
    Der erinnerte sich in diesem Augenblick an Karin Werths dringenden Rat, die Rolle anzunehmen, die ihm aus der Veröffentlichung seines Verschlossenen Kindes erwachse. Aber wenn ihm die Rolle selber überhöht erschien? War es nicht absurd, daß man hier, nur weil was aus seiner Feder geflossen war, gleich die großartigsten und edelsten Motive und Eigenschaften bei ihm zu entdecken meinte? Ohne noch länger abzuwägen, sagte er: »Ich bin das falsche Beispiel für Ihre sicher richtige Theorie, ich muß Sie jetzt wirklich korrigieren. Sie vergleichen mich unterderhand mit sich selber, weil Sie wahrscheinlich klug und einfallsreich vorgehen mußten, um Ihr Buch nach drüben zu kriegen. Aber das ist zuviel der Ehre, denn was Sie mit aller Konsequenz beabsichtigten, ist mir eigentlich nur so passiert. Ja, mein Manuskript, das Sie im Zusammenhang mit der Herausbildung besonderer Kräfte erwähnten, ist mir im Grunde ohne mein Zutun davongeflattert.«
    »Eigentlich? Im Grunde? Davongeflattert? Was heißt das? Präzise bleiben, präzise!«
    Matti wand sich kurz, erklärte dann aber: »Alles hängt mit einer Frau zusammen, in die ich mal schwer verliebt gewesen bin. Diese Frau ist jetzt zufälligerweise Lektorin bei ›Westenend‹ und hat sich, weil sie auch, aber nicht genauso in mich verliebt gewesen ist und vielleicht meinte, was gutmachen zu müssen, sehr um das Verschlossene Kind gekümmert – so trivial liegen die Dinge.«
    »Seine ehemalige Deutschlehrerin«, bestätigte Norbert Weißfinger.
    »Woher weißt du denn das?« Matti war völlig überrascht.
    »Na woher wohl?«
    »Woher weißt du es? Sag schon!«
    »Von deinem Bruder, das kannst du dir doch denken.«
    »Überhaupt nicht, wie soll ich wissen, daß ihr euch kennt?«
    Der Anwalt warf ein, es sei wohl besser, wenn sie das allein ausdiskutierten. Ob er aber, bevor er gehe, Matti vielleicht noch einen Satz mitgeben dürfe?
    »Was Sie erst fragen!«
    »Gut, aber seien Sie mir danach nicht gram, ich pflege mich klar und deutlich auszudrücken. … Sie sind in einem ein typisches Kind dieser Republik, nämlich in Ihrer erschreckenden Bescheidenheit. Sie macht mich rasend, denn überall treffe ich sie an. Ich erkenne sie in den Blicken der Menschen, wenn sie in einem Laden nach etwas fragen, zwergenhafte Blicke sind das, nein, keine zwergenhaften, denn Zwerge schauen ja gewitzt und verschmitzt. Die Menschen aber schauen entschuldigend, die eigene Frage mit ihren gesenkten Lidern schon wieder zudeckend, und so entschuldigend laufen sie auch, und so heben sie den Finger, wenn sie ihn überhaupt heben, und so winken sie, wenn sie

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