Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
Vom Netzwerk:
es nützt alles nichts, denn irgendwo klemmt immer die Säge. Gib zu, Willy«, er trat verächtlich mit der Fußspitze an die Papierbahn, »dieses Zeug hier, das ist was für Klosetts, aber nicht für Bücher. Kein Buch der Welt …«, Kluge hielt inne, ihm schien etwas eingefallen zu sein, »… nimm diesen Gluth. Ich hab sein letztes Buch gelesen. Es war nicht so schlecht. Man hat gemerkt, wie er sich beim Schreiben quält, das sollte nicht sein, er war nicht locker, er wollte zuviel, das stört beim Lesen, in Ordnung. Aber bitte, nehmen wir ruhig an, er hätte ein wahrhaft miserables Buch verzapft, das schlechteste Buch der Welt. Dann hätte er trotzdem das Recht, es von uns 1a gedruckt zu bekommen. Es ist schofelig, Willy, den eigenen Pfusch mit dem anderer zu begründen, und das tust du …«
    Willy verzog das Gesicht. »Wir sind nicht allein, Dietrich. Ich kriege kein anderes Papier, nicht in den nächsten Tagen. Mir sind die Hände gebunden.«
    Kluge nickte, als habe er nur das hören wollen, als sei er schon damit zufrieden, als erwarte er gar keine Lösung des Problems, sondern einfach nur das Eingeständnis, daß es existierte.
    Willy blickte auf seine Uhr, erschrak. »Schon zehn nach sieben. Ich muß los.«
    Kluge nickte noch einmal, Willy nahm es aber nicht mehr wahr, er eilte schon in Richtung Verwaltungsgebäude, in dem es nach Staub, Bohnerwachs und Kaffee roch, und nach dem schrecklich süßlichen Parfüm mancher Sekretärin auch.
    *
    Grau lag das hügelige Land, in das der »Aufbruch« hineingebaut war, wie aus Teer gegossen erschien die Schorba. Blattlose Wälder glichen riesigen Igelrücken. Lärchengerippe klapperten mit den Knochen. Heruntergefallene Äste zeigten ihre morschen schwarzen Enden.
    Die meisten Menschen atmeten flach. Wie Schildkröten zogen sie ihren Kopf ein, wenn der Wind, der Wind, das schreckliche Kind, ihnen die noch heißen, teils glutäugigen Kohlerückstände entgegenwirbelte, die sie morgens in rostigen Aschekästen vor sich hertrugen, um sie in die Mülltonnen zu kippen. Und so, sicher ist sicher, beließen sie danach ihre Köpfe, so, fast halslos, verharrten sie. Eine farblose Ruhe umschloß sie wie Gelatine.
    Jemand aber, ein gewisser, Willy flüchtig bekannter Herr in mittleren Jahren, war gar nicht zu bremsen. Er stürzte sich von einer Aktivität in die nächste. Dazu war ihm der geringste Anlaß willkommen.
    Einmal, das war bereits im März gewesen, hatte er einen alten Gärtner dabei beobachtet, wie der die letzten kleinen Nelken, die in ihrem Beet dem Frühjahrsgemüse weichen mußten, in mit Zuckerwasser gefüllte Eimer steckte, um sie doch noch großzuziehen. Nur leider, die Nelken dankten es ihm nicht. Vielmehr schrumpelten sie erst recht. Der Beobachter aber dachte, da muß man vielleicht mehr investieren als ein bißchen Zucker. Da muß man erstmal grundsätzlich überlegen. Da muß man womöglich auch lesen, und zwar nicht bloß »Der flotte Wuchs«, Periodika für den Gartenfreund. Er machte also einen Ausflug nach Berlin. Besuchte die Sektion Biologie der Humboldt-Universität. Ging nicht wieder, ehe er den in Fachkreisen berühmten Professor Birnesser an der Angel hatte.
    Ein Experiment wollen Sie starten da hinter den sieben Bergen, so so, Dissertationen mögen Sie durcharbeiten, oha. Das ist ungewöhnlich, das rührt mich, das unterstütze ich, indem ich Ihnen, Sie sehen mich die kleine Liste schon anfertigen, vier Veröffentlichungen anempfehle und Sie herzlichst bitte, sich auf mich zu berufen, falls man in der hiesigen Bibliothek meint, sich querstellen zu müssen aus Gründen der Geheimhaltung; die Herrschaften dort, müssen Sie wissen, haben Staub im Hirn und sind nur zu faul zum Suchen. – Hehe, Staub im Hirn, Sie sind lustig, Herr Professor.
    Er studierte also ein paar Tage, und bevor er Berlin wieder verließ, bedankte er sich bei seinem Helfer mit der Versicherung, Birnesser wäre der erste, den er unterrichten werde vom erfolgreichen Abschluß seines vermutlich bahnbrechenden Versuchs. Worauf Birnesser sich, bei allem Respekt vor der privaten Initiative des Bürgers, nun doch nicht enthalten konnte, eine gewisse Skepsis zum Ausdruck zu bringen. Sprach er nicht sogar von einer wissenschaftlich verbrieften Unmöglichkeit? Aber nichts für ungut, meine besten Wünsche begleiten Sie. – Danke, Herr Professor, ergebensten Dank.
    Hernach machte er, an von Gerberstedt aus uneinsehbarem Platze, am Rande einer Lichtung, auf der das Gras kniehoch

Weitere Kostenlose Bücher